Erstes Teilstück ist fertig

Radschnellwege am Beispiel Filstal: Radfahrer zwischen Lust und Frust

Stand
Autor/in
Philipp Pfäfflin
Bild von Philipp Pfäfflin

Fahrrad-Autobahn für Kampfradler oder Infrastruktur der Zukunft? Ein Radschnellweg polarisiert. Was sollte man wissen? Wie weit ist die Planung? Wie sieht es aus im Kreis Göppingen?

Im Filstal im Kreis Göppingen soll der Radschnellweg RS14 zwischen Ebersbach und Süßen entstehen. Ein kleiner Teilabschnitt ist bereits fertig: breit, eben, und bester Belag. Radfahrer wie Dirk Messer vom Fahrradclub ADFC sind begeistert: "Jetzt kann man endlich von Süßen über Salach bis fast nach Eislingen durchgängig auf breiten Radwegen fahren. Das ist schon genial." Aber abgesehen von diesem einen kurzen Abschnitt geht es nur mühsam voran. Dazu kommt: Selbst auf dem fertiggestellten Stück Süßen - Salach gibt es Ungereimtheiten.

Eine Fußgängertreppe führt auf den Radschnellweg bei Süßen (Kreis Göppingen).
Ortseingang Süßen: Eine Treppe auf einen Radschnellweg? Der Radclub ADFC findet: "Das ist ein Widerspruch an sich."

Fußgängertreppe auf Radschnellweg: ADFC spricht von Treppenwitz

Am östlichen Ortseingang von Süßen führt eine Fußgängertreppe auf den Radschnellweg. Das verwundert. "Denn auf dem Radschnellweg sind keine Fußgänger erlaubt", sagt Dirk Messer. Er spricht von einem "Treppenwitz". Vom zuständigen Regierungspräsidium in Stuttgart heißt es, dass der auf die Radstrecke führende Weg nicht für den Radverkehr benötigt würde, daher die Treppe. Diese würde von Fußgängerinnen und Fußgängern vereinzelt als Querung in das Gewerbegebiet genutzt. Dass dabei Fußgänger den Radschnellweg betreten müssen, scheint dem Regierungspräsidium bewusst zu sein, denn weiter schreibt es: "Wir werden die Situation weiter beobachten."

Verwirrende Markierung auf einem Radweg, der auf einen Gehweg führt, während Fußgänger auf die Straße geleitet werden.
Verwirrend: Fußgänger sollen auf die Straße? Die Markierung soll laut Regierungspräsidium Stuttgart korrigiert werden.

Irritierend ist auch die Markierung bei einem Kreisverkehr in Salach. Fußgänger werden dort auf die Straße geschickt, Radfahrer auf den Fußweg. Offenbar ein Fehler der Markierungsfirma, mutmaßt man beim ADFC. Das Regierungspräsidium schreibt dazu: "Die Situation wird in den nächsten Tagen bereinigt."

Unterschiedliche Vorfahrtsregeln im Kreisverkehr

Eine weitere Besonderheit: In Süßen haben Radfahrerinnen und Radfahrer im Kreisverkehr Vorfahrt, im rund einen Kilometer entfernten Salach sind es die Autos. Dazu erklärt das Regierungspräsidium Stuttgart: Die Straßenverkehrsordnung sieht vor, dass innerorts Fahrradfahrer bei einem Kreisverkehr Vorfahrt haben können - so wie in Süßen. In Salach, wo das Ortsschild direkt hinter dem Kreisverkehr steht, gilt die außerörtliche Regelung. "Juristisch alles schön und gut - doch für Radfahrende, aber auch für Autofahrer ist das der Irrsinn!", kommentiert Dirk Messer vom ADFC.

Radfahrer im Kreisverkehr hat Vorfahrt
Vorfahrt für Radfahrer im Kreisverkehr in Süßen. Anders ist es im benachbarten Salach ... Bild in Detailansicht öffnen
Radfahrer im Kreisverkehr in Salach. Er muss Vorfahrt gewähren.
... hier müssen Fahrradfahrer im Kreisverkehr die Vorfahrt gewähren. "Wer soll da durchblicken?", fragen nicht nur Radfahrer. Bild in Detailansicht öffnen

Spezialfall Uhingen: Droht ein Flickenteppich?

Radschnellwege sollen direkte Verbindungen schaffen, damit beispielsweise Pendlerinnen und Pendler schnell und ohne Hindernisse zur Arbeit kommen. Rund um Uhingen wird das nach jetzigem Stand künftig nicht möglich sein. Denn dort hat der Gemeinderat 2023 die für das Stadtgebiet vorgesehene Planung abgelehnt. Sein Argument: Durch den Radwegebau werde zusätzlicher Boden versiegelt. Der ADFC nennt die Entscheidung in Uhingen ein "Trauerspiel". Fakt ist: Das Landratsamt plant derzeit zwei Radschnellweg-Hälften im Kreis Göppingen. Beide enden jeweils an den Stadtgrenzen von Uhingen.

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Widerstand gegen Radschnellwege: Beispiel Plochingen

Auch andernorts gibt es offene Fragen und Unmut im Zusammenhang mit der Radschnellweg-Planung - zum Beispiel Fils-abwärts in Plochingen (Kreis Esslingen). Bernd Gutmann vom gleichnamigen Gemüsebetrieb befürchtet, dass durch eine geplante Fahrradbrücke über die Fils Tatsachen geschaffen würden und damit der künftige Radschnellweg Neckartal (RS4) zwischen Reichenbach und Esslingen an seinem Hof vorbei geführt würde.

Schon jetzt sei es dort eng, wenn Erntemaschinen auf Fußgänger oder Radfahrer träfen. Ein Radschnellweg an dieser Stelle mit 2.000 bis 3.000 Fahrradfahrern täglich sei nicht verantwortbar. Und da sowohl Stadt wie auch Land nicht über die erforderlichen Grundstücke verfügten, sei auch kein Platz für eine Verbreiterung, so Gutmann.

Ein Traktor auf einem Feldweg in Plochingen, der die volle Breite benötigt.
Der jetzige Weg ist nicht breit genug für Traktoren und Fahrräder, warnt Landwirt Bernd Gutmann. Platz für eine Erweiterung gebe es aber auch nicht. (Archiv)

Der Widerstand vor Ort sei groß, so der Landwirt weiter. Nach einem Bürgerbegehren soll sich nun der Petitionsausschuss des Landtags mit dem Thema beschäftigen. Termin ist der 13. Januar. Auch eine mögliche Routenplanung im angrenzenden Landschaftspark Bruckenwasen stößt auf Kritik, der Gemeinderat Plochingen hatte sich bereits im Frühjahr dagegen positioniert.

Radschnellweg: Fahrradautobahn für rüpelhafte Kampfradler?

Der Begriff Radschnellweg gefällt nicht allen. Thomas Gotthardt vom ADFC im Kreis Göppingen erklärt warum: "Bei Menschen, die nicht so viel mit Radfahren zu tun haben, kommt es an wie: Wer nicht bei drei auf dem Baum ist, wird von einem Kampfradler umgefahren." Das sei überhaupt nicht das Thema. Es gehe nur darum, auf kürzestem Weg von zu Hause zur Arbeit, zur Schule oder zum Bäcker zu kommen und dabei nicht unnötig Zeit auf Umwegen zu verlieren.

Schild am Rand einer Straße weißt daraufhin, dass dort eine Brücke über die Fils für den Radschnellweg zwischen Reichenbach und Ebersbach gebaut wird
Der Radschnellweg an der Fils wird in Abschnitten gebaut. Bis Mitte 2025 soll zwischen Reichenbach und Ebersbach eine Brücke über die Fils entstehen.

Landratsamt Göppingen: Es geht nur mit Kompromissen

Einen Radschnellweg zu bauen, sei ähnlich komplex wie der Bau einer Bundesstraße oder einer Autobahn, sagt Jörg-Michael Wienecke. Er ist Leiter des Amts für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur im Kreis Göppingen. Damit ist er in gewisser Weise der Chefplaner für den Radschnellweg im Filstal. Bestehende Bebauung und Eigentumsverhältnisse, Umwelt- und Naturschutz, unterschiedliche Zuständigkeiten vom Land über den Kreis bis zu den Kommunen - die Planung gehe nur mit Kompromissen, sagt Amtsleiter Wienecke.

Bei aller Kritik an einzelnen Details: Dirk Messer vom ADFC sieht die Planungen für den Radschnellweg im Filstal nach eigenen Angaben grundsätzlich positiv. Er spricht von einer riesen Chance und zeigt sich überzeugt, dass Unstimmigkeiten behoben werden können. Wichtig sei ihm, dass bei aller Sympathie für die Radwegeplanung nicht Fußgänger auf der Strecke blieben. "Das führt nur zu Unmut", sagt er und verweist auf Umwege für Fußgänger just beim bereits fertiggestellten Abschnitt Süßen - Salach.

Fußgänger auf Radschnellweg zwischen Süßen und Salach im Kreis Göppingen
So war das nicht gedacht: Ein Fußgänger mit Rollator auf dem Radschnellweg bei Süßen.

Wann ist der Radschnellweg im Filstal fertig?

Der RS14 wird nicht am Stück gebaut. Schritt für Schritt werden Abschnitte fertiggestellt. Durch den Rückbau der B10 konnte der Abschnitt Süßen - Salach bereits umgesetzt werden. Im Jahr 2025 soll bei Ebersbach eine Brücke über die Fils gebaut werden. Parallel laufen die Planungen auf den anderen Abschnitten weiter. Doch Planer Wienecke warnt vor zu hohen Erwartungen: "Ein kompletter Radschnellweg im Filstal - wenn wir den in diesem Jahrzehnt noch fertigstellen, dann sind wir richtig gut."

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