Nach dem gewaltsamen Tod einer 32-jährigen Krankenpflegeschülerin in Stuttgart hat am Montag der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Am 23. August 2023 war die junge Frau erstochen in ihrem Schwesternwohnheim in Stuttgart-Nord aufgefunden worden. Zwei Tage später nahm eine Spezialeinheit der Polizei ihren Ex-Freund fest. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 40-Jährigen Mord aus Habgier vor.
Staatsanwalt Aniello Ambrosio begründet die Anklage:
Anklage wegen Mordes: Ging es um Geld?
Viele Angehörige der getöteten Pflegeschülerin saßen im Gerichtssaal, als der Angeklagte gegen 9:30 Uhr den Raum betrat. Sie trugen T-Shirts mit dem Foto der Verstorbenen und der Forderung nach Gerechtigkeit für die junge Frau. Als die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vortrug, ging ein Raunen durch die Reihen. Mit mindestens 22 Messerstichen soll der Angeklagte sein Opfer getötet haben. Der Grund: Er befürchtete, er müsse Unterhalt zahlen.
Die junge Frau, mit der er von April bis Juni 2023 eine Beziehung führte, soll dem Angeklagten nach der Trennung eine Schwangerschaft vorgespielt haben, die sie in Wirklichkeit bereits abgebrochen hatte. Mit der Tat habe der 40-jährige Holzmechaniker eine drohende finanzielle Belastung durch ein weiteres Kind verhindern wollen, so die Staatsanwaltschaft. Mit seiner Ex-Frau, mit der er eine Tochter hat, gab es den Angaben zufolge bereits Streit wegen Geld. Durch einen gemeinsamen Hauskauf sei er bereits verschuldet gewesen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 40-Jährigen daher Mord aus Habgier vor.
Angeklagter streitet Tötungsvorsatz ab
Der Angeklagte befindet sich seit seiner Festnahme nahe seines Wohnorts in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) in Untersuchungshaft. An diesem ersten Prozesstag zeigte er sich sichtlich betroffen. Immer wieder weinte er, sah sich nicht in der Lage, Angaben zu seiner Person zu machen und wollte sich an die hohe Zahl der Messerstiche nicht mehr erinnern können. Die Tat selbst hatte er bereits vor Prozessbeginn gestanden.
Gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen gab er an, er sei am späten Abend des 21. Augusts nicht in Tötungsabsicht zum Wohnheim gefahren. Stattdessen habe er seine Ex-Partnerin zur Rede zu stellen und sich über das Sorgerecht für das ungeborene Kind einig werden wollen. Auch das Messer will er nicht dabei gehabt haben.
Nach einem Gespräch sei es zum Streit gekommen. Die junge Frau habe ihn mit einem auf dem Schreibtisch liegenden Küchenmesser bedroht. Er habe es ihr schließlich entrissen und zugestochen. Nachdem er den Tatort von Blutspuren gereinigt habe, sei er mit der Tatwaffe und dem Handy der Getöteten in Panik geflüchtet.
Ein Femizid kann sich strafverschärfend auswirken
Gewaltverbrechen dieser Art werden auch als Femizid bezeichnet. Nach Angaben des Stuttgarter Staatsanwalts Aniello Ambrosio handelt es sich dabei zwar nicht um einen juristischen Begriff. Doch die Motivation, die hinter einem Femizid steht, spiele bei der Höhe der Strafe natürlich eine Rolle. Richte sich eine Tat nachweislich gegen bestimmte Personengruppen wie in diesem Fall Frauen, könne sich das strafverschärfend auswirken.
Ermittlungsergebnisse und Aussagen des Angeklagten unterscheiden sich
Mithilfe einer Gutachterin, einem psychologischen Sachverständigen, mehreren Zeugen und dem ausgewerteten WhatsApp-Verlauf muss das Gericht nun klären, ob sich der Tatvorwurf des Mordes bestätigt. Dann droht dem Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe. Am 14. März wird die Verhandlung fortgesetzt. Das Urteil wird für Juni erwartet.