Um die Gastronomie während der Corona-Pandemie zu entlasten, war der Steuerersatz für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Seit dem 1. Januar 2024 gilt nun wieder der reguläre Satz. Gastronomen beklagen Umsatzeinbußen, das Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim hält die Anpassung hingegen für wichtig.
Mittagszeit im Restaurant "Der rote Hirsch" in Bad Cannstatt. Betreiber Christian List beugt sich über die Speisekarte. Bis vor Kurzem haben die Kässpätzle hier noch 15,90 Euro gekostet, jetzt sind es 17,90 Euro. Der Zwiebelrostbraten liegt inzwischen bei 33,50 Euro. Der Grund, warum List die Preise erhöht hat: Seit Jahresbeginn gilt für Speisen in der Gastronomie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent.
Gastronom in Bad Cannstatt: 15 Prozent weniger Umsatz
Die Veränderung habe in seinem Restaurant spürbare Folgen, sagt Christian List. Im Januar 2024 verzeichnete er etwa 15 Prozent weniger Umsatz als im Januar 2023. List geht davon aus, dass das an der Rückkehr zum vollen Mehrwertsteuersatz liegt.
"Wir merken, dass die Gäste wegbleiben oder anders konsumieren. Sie trinken weniger und teilen sich Essen", sagt List. "Neulich hatte ich drei Damen, die haben sich zu dritt ein Knödelgericht geteilt."
Ist der "Rote Hirsch" ein Beispiel von vielen? Etwa 2.900 Betriebe hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga jüngst zu ihren Zukunftsaussichten befragt, rund ein Viertel davon laut Dehoga aus Baden-Württemberg. Die Umfrage liefert ein gemischtes Bild. Etwa jedes dritte Unternehmen befürchtet demnach, 2024 in die Verlustzone zu rutschen. Allerdings geht ebenfalls ein Drittel davon aus, sich am Markt behaupten zu können.
Dehoga: Besteuerung "absurd"
Die Dehoga kritisiert vor allem, dass die Besteuerung uneinheitlich ist. Es sei "absurd", dass für das Essen in der Gastronomie nun wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gelten, währen das Essen To Go oder der Fertigsalat im Supermarkt weiterhin mit sieben Prozent besteuert wird, schreibt Dehoga-Präsident Guido Zöllick in einer Mitteilung zu der Umfrage.
Viele Restaurants erhöhen Preise Erhöhte Mehrwertsteuer macht Gastronomie in BW zu schaffen
Seit dem Jahreswechsel gilt für Restaurants wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Jedes dritte Unternehmen in Baden-Württemberg befürchtet, in diesem Jahr Verluste zu machen.
Anders sehen es Forscherinnen und Forscher am Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. "Die ermäßigte Besteuerung für Lebensmittel ist im Gegensatz zu Gastronomiedienstleistungen verteilungspolitisch erklärbar", schreiben sie in einer Expertise zur ermäßigten Mehrwertsteuer, die im Oktober veröffentlicht wurde. Für ärmere Haushalte sei der Anteil von Lebensmitteln an den Ausgaben besonders hoch. Essen gehen im Restaurant spiele hingegen für diese Haushalte kaum eine Rolle.
ZEW-Expertin Katharina Nicolay findet es richtig und wichtig, dass die Mehrwertsteuer für Speisen im Restaurant wieder auf den regulären Satz angehoben wurde. "Die Lage ist eindeutig: Der Rechtfertigungsgrund war der Corona-Ausnahmezustand - und der ist jetzt weggefallen", sagt Nicolay im Gespräch mit dem SWR.
ZEW: Umsätze in Metropolen über Vorkrisenniveau
Die Argumente der Gastwirte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien nicht branchenspezifisch. So gehe es derzeit vielen Branchen. Würde die abgesenkte Steuer jetzt für die Gastronomie erhalten bleiben, sei das gegenüber anderen Branchen nicht zu rechtfertigen, so Nicolay. Auch die angespannte Haushaltslage spreche für eine Rückkehr zum regulären Steuersatz. Die Bundesregierung bezifferte die Kosten für die zwischenzeitlich verringerte Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 3,4 Milliarden Euro jährlich.
Insgesamt sei die Erholung der Gastronomiebetriebe seit Corona unterschiedlich, so die ZEW-Wissenschaftler. Wenngleich es auch Verlierer gebe: "Besonders in den Metropolen liegen die realen Umsätze bereits wieder über dem Vorkrisenniveau", schreiben die Forscher.
Gastronom in Stuttgart: "Dramatisches Gefühl"
Christian List in Bad Cannstatt macht die Rückkehr zum regulären Steuersatz trotzdem zu schaffen. Wenn er an die Zukunft denkt, ist für ihn vieles unklar.
"Für mich persönlich ist es momentan ein dramatisches Gefühl, weil ich nicht weiß, wie es weitergeht", so der Gastronom. Die Umsatzrendite im Restaurant liege in guten Jahren bei zehn Prozent, im Schnitt eher bei drei Prozent. List versucht, das Minus im Restaurant durch Catering aufzufangen. Aber er macht sich Sorgen, dass er eines Tages Mitarbeiter entlassen muss. "Das wäre für mich das Schlimmste", sagt List. "Denn wir sind eine Familie und das soll so bleiben."