Sedia Kijera als Altenpfleger in Deutschland

Behörde verweist auf klare Gesetzeslage

Ministerium: Altenpfleger Kijera aus Gambia erhält kein Arbeitsvisum

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Fabian Ziehe
Fabian Ziehe

Sedia Kijera war Altenpfleger in Kirchheim am Neckar. Mit einem Arbeitsvisum wollte er dorthin zurückkehren. Doch Behörden teilen mit, das sei wegen einer Verurteilung nicht möglich.

Der Anwalt und die Unterstützer des Altenpflegers Sedia Kijera kritisieren die Entscheidung von Behörden, dass der 28-jährige Gambier wegen einer Verurteilung kein neues Arbeitsvisum erhält. Er hatte in Kirchheim (Kreis Ludwigsburg) als Altenpfleger gearbeitet und war im Frühjahr freiwillig in sein Heimatland ausgereist. So wollte er einer Abschiebung zuvorkommen.

Er wollte sich die Chance auf eine legale Rückkehr mit Arbeitsvisum offenhalten und mit einem Arbeitsvisum nach Kirchheim zurückkehren, um wieder im AWO-Pflegeheim "Haus am Mühlbach" zu arbeiten. Doch dieses Visum soll er nun nicht bekommen. Wie die "Stuttgarter Zeitung" zuerst berichtet hat, spricht sich das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart gegen eine Rückkehr von Kijera nach Deutschland aus.

Sedia Kijera war freiwillig ausgereist, um Abschiebung zu entgehen

Während seine frühere Chefin dafür kämpft, dass der gelernte Altenpflegehelfer schnellst möglich an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann, fällt ihm eine frühere Verurteilung auf die Füße. Nach dem Handel mit Marihuana war er zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein Eintrag im Zentralregister folgte. Am 30. November 2023 kam er in Abschiebehaft. Er war zwar zunächst freigekommen, dann aber freiwillig ausgereist, um einer Abschiebung zuvorzukommen und sich die Chance auf eine legale Rückkehr mit Arbeitsvisum offen zu halten.

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Um einer Abschiebung zu entgehen, ist der Gambier Sedia Kijera freiwillig ausgereist. Das Ziel von ihm und seinem bisherigen Arbeitgeber: bald mit einem Arbeitsvisum zurückkommen.

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Die schriftliche Begründung liegt seinem Anwalt und seinen Unterstützern in Kirchheim noch nicht vor. Dem SWR gegenüber äußerten sich das RP und das Justizministerium BW in einer gemeinsamen Erklärung: "Im vorliegenden Fall steht ein Ausweisungsinteresse der Erteilung des Visums entgegen", heißt es darin. Dann folgen viele Paragraphen.

Ministerium verweist auf Eintrag im Bundeszentralregister

Bei dem "Ausweisungsinteresse" handelt es sich um eine Verurteilung von Kijera wegen Besitz und Handel mit Marihuana 2018. Gerade Drogendelikte wiegen in solchen Fällen schwer. Der Gambier war damals zu 90 Tagessätzen verurteilt worden, was genau die Grenze reißt für einen zehnjährigen Eintrag ins Bundeszentralregister. Das wiederum ist für das Erstellen von Führungszeugnissen und somit das Ausstellen eines Arbeitsvisums mitentscheidend. Dieses Führungszeugnis war auch schon maßgeblich für die angeordnete Abschiebung von Kijera.

Das RP und das Ministerium unterstreichen in ihrer Begründung, dass die Gesetze weder einen Ausgestaltungs- noch einen Ermessenspielraum zuließen. "Wille des Gesetzes ist es, bei Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung die Erteilung des Aufenthaltstitels zu verweigern", schreiben sie - sprich: Der Gesetzgeber sieht da keine Alternative vor, selbst wenn dabei ein "Verhältnismäßigkeits-Grundsatz" unterlaufen werde. Das RP und das Ministerium hätten also gar nicht anders entscheiden dürfen.

Landratsamt: Pflegehelfer hat sich erfolgreich resozialisiert

Das Landratsamt Ludwigsburg und damit die zuständige Ausländerbehörde kamen zu einem anderen Schluss und bleiben einem Sprecher zufolge bei ihrer Rechtsauffassung. Demnach hat sich Kijera "erfolgreich resozialisiert". Bereits im März war das Landratsamt bei einer Vorabprüfung zu einem positiven Ergebnis für den Gambier gekommen. Allerdings ist der Landkreis die untergeordnete Behörde im Verhältnis zum RP und dem Justizministerium BW.

Entscheidend für den Landkreis sei, "dass Kijera eine Ausbildung zur Pflegehilfskraft absolviert und sich als Mitarbeiter im AWO-Pflegeheim in Kirchheim so engagiert hat, dass Arbeitgeber sowie Bewohnerinnen und Bewohner sich für ihn einsetzen". Er sei gut integriert und arbeite in einem gesellschaftlich wichtigen Mangelberuf. Außerdem könne das Drogendelikt aus dem Jahr 2018 zwar ein Ausweisungsgrund sein, müsse das aber in diesem Fall nicht sein.

Unterstützer von Kijera spricht von "politisch gewollter Sache"

"Das war für uns ein Fall aus hoher Höhe", sagt Schwarzkopf. Er kann formaljuristisch die RP-Entscheidung nachvollziehen. Kijeras Eintrag ins Zentralregister wird erst 2035 gestrichen - sollte er sich bis dahin erneut etwas zu Schulden kommen lassen, müssten sich auch die Behörden erklären.

Schwarzkopf und weitere Mitstreiter in der Flüchtlingsarbeit sehen in den 90 Tagessätzen und dem Eintrag ins Bundeszentralregister ein Instrument, um Geflüchteten das Leben schwer zu machen. "Das ist eine politisch gewollte Sache", meint Schwarzkopf, "man verhängt ein hohes Strafmaß, um einen Ausweisungsgrund und auch keine Möglichkeit zur Wiedereinreise zu erreichen".

Mehr über den Fall von Sedia Kijera (Archiv)

Man warte nun die schriftliche Begründung ab und werde dann mit dem Anwalt klären, wie es weitergehen könne, so Unterstützer Schwarzkopf weiter. Man sei weiter in Kontakt mit Kijera, dessen Lage in Gambia ziemlich hoffnungslos sei. "Er ist in großer Verzweiflung", sagt Götz Schwarzkopf, Sprecher der Kirchheimer Ortsgruppe Seebrücke und eine der Kontaktpersonen für Sedia Kijera in Deutschland. "Es hat ihn extrem runtergezogen in eine Hoffnungslosigkeit hinein."

Leiterin des Pflegeheims hofft weiter auf Rückkehr Kijeras

Daniela Lehmann hofft derweil weiter, dass ihr früherer Mitarbeiter Kijera bald wieder zurückkommen kann - weil sie, die Kollegen und die Bewohner ihn schätzen, mögen und auch brauchen. Die Leiterin des Altenpflegeheims "Haus am Mühlbach" in Kirchheim betont, dass er sich nach dem Drogendelikt aus dem Jahr 2018 "nie etwas hat zu Schulden kommen lassen". Er sei ein Beispiel für gelungene Resozialisierung und Integration, habe drei Jahre gute Arbeit geleistet. "Das wird keineswegs gewürdigt", sagt sie mit Blick auf die Entscheidung des RP.

Sie kann letztlich die rechtliche Situation nicht einschätzen. Das wolle sie sich auch nicht anmaßen. Aber so ein wenig habe sie schon das Gefühl, dass da "der Mut fehlt" seitens der Behörden. Zumal ja auch das Heim und der Staat viel in die Ausbildung von Kijera investiert haben: "All das versiegt nun in einem Nichts." Und menschlich sei das alles ohnehin eine klare Sache: "Sedia Kijera hat einfach auch den Traum von einem normalen Leben."

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