Das Land Baden-Württemberg sucht dringend weitere Standorte für Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete. Die Ankündigung, auch ein Gebiet in Ludwigsburg zu prüfen, führt vor allem in den Nachbarstädten Tamm und Asperg zu Protest und Widerstand. Was ist der aktuelle Stand? Was sind die Hintergründe?
- Ist der Bau bereits beschlossen?
- Was wird geprüft?
- Wann wäre die LEA frühestens fertig?
- Wie groß könnte sie werden?
- Warum wird überhaupt eine LEA geprüft?
- Gibt es alternative Standorte?
- Wo gibt es LEAs in BW?
- Wieso protestieren Tamm und Asperg?
- Welche Gründe sprechen für eine LEA?
- Was spricht dagegen?
- Was sagt der Ludwigsburger OB?
Ist der Bau einer LEA in Ludwigsburg bereits beschlossen?
Aktuell gibt es laut Justizministerium noch keine Pläne für den Bau einer Landeserstaufnahme-Einrichtung (LEA) in Ludwigsburg. Es werde lediglich geprüft, ob sich das Gelände eignen könnte. Die Prüfung erfolge ergebnisoffen und sei noch nicht abgeschlossen. Auch die Größe ist laut Justizministerium für die Unterkunft ist noch nicht festgelegt.
Was wird geprüft? Und sind die Kommunen beteiligt?
Eine Untersuchung soll klären, ob der Standort geeignet ist oder nicht - und was die Erschließung samt Bau kosten würde. Dabei gehe auch um Umweltaspekte, Zugänge und Infrastruktur, so Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU). Die Federführung habe das baden-württembergische Finanzministerium, die Kommunen würden beteiligt, so der Staatssekretär: "Wir versuchen es im Einvernehmen hinzubekommen, aber am Ende des Tages plant das Land. Wir haben schlichtweg einen Bedarf, den wir erfüllen müssen." In einem Untersuchungsbericht kommt das Amt "Vermögen und Bau" zu dem Schluss, dass es viele Hürden für eine LEA an dem Standort gibt.
Wann könnte eine mögliche LEA frühestens fertig sein?
Konkrete Informationen zu einem möglichen Fertigstellungstermin gibt es nicht. "Das wird die Machbarkeitsstudie zeigen", heißt es beim Justizministerium. Die Zeit bis zur geplanten Schließung der LEA in Ellwangen Ende 2025 hält Staatssekretär Lorek für einen "relativ engen" Zeitplan.
Wie viele Geflüchtete könnten dort unterkommen?
Genaue Zahlen gibt es nicht. Das Justizministerium verweist auf die Machbarkeitsstudie, die erst ganz am Anfang sei. Staatssekretär Lorek sprach von einem Standort, der gut 1.000 Plätze hergeben würde. In einer Potentialanalyse im Auftrag des Justizministeriums ist von einer maximalen Belegung mit bis zu 2.000 bzw. 2.500 Menschen die Rede.
Warum soll überhaupt eine neue LEA entstehen?
Im Jahr 2022 hat Baden-Württemberg nach eigenen Angaben fast 180.000 Geflüchtete aufgenommen. Das sind mehr als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen, als besonders viele Menschen kamen. Auch 2023 hält der Trend an, dass besonders viele Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen werden müssen. Die Suche nach geeigneten weiteren Grundstücken sei zu einer Daueraufgabe geworden, heißt es beim Justizministerium. Dazu kommt, dass die LEA Ellwangen geschlossen werden soll.
Werden andere Standorte geprüft? Gibt es Alternativen?
Das Land sucht auch im Landkreis Böblingen und im Enzkreis nach möglichen Standorten. Doch diese seien nicht als Alternativen zu Ludwigsburg zu verstehen, sondern zusätzlich, heißt es auf Landesebene.
Wo gibt es bereits LEAs in Baden-Württemberg?
Insgesamt gibt es elf Erstaufnahmeeinrichtungen im Land. Neben den bisherigen Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Freiburg, Sigmaringen, Ellwangen und Karlsruhe sind das ein Ankunftszentrum in Heidelberg sowie kleinere EAs (Erstaufnahmestellen).
Warum gibt es vor allem Protest in Tamm und Asperg?
Das Gebiet Schanzacker liegt auf Ludwigsburger Gemarkung, ist allerdings durch die Bahnlinie von dieser abgeschnitten. Anders die Situation in Asperg und Tamm: Die beiden Städte grenzen unmittelbar an den Schanzacker. Sie befürchten, dass sie damit die Hauptlast der LEA tragen müssten. Bereits im Februar fanden erste Demonstrationen mit Hunderten Menschen gegen eine mögliche LEA statt. Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet. Beide Gemeinden haben sich in der Vergangenheit auch gegen ein Gewerbegebiet auf dem Grünzug gewehrt. Die Bürgermeister von Tamm, Martin Bernhard, und von Asperg, Christian Eiberger (beide parteilos), lehnen eine mögliche LEA in der Nachbarschaft ab, sie wollen "mit einer Stimme" sprechen. Beide haben angekündigt, alle möglichen Rechtsmittel einzulegen, falls das Land dort bauen will. Ein jahrelanger Rechtsstreit ist denkbar.
Welche Gründe sprechen für eine LEA in Ludwigsburg?
Das Gelände gehört dem Land Baden-Württemberg und es ist unbebaut, deswegen wird es vom Land als möglicher Standort geprüft. Für den Fall, dass das Gelände als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt würde, gehen die Städte Asperg, Tamm und Ludwigsburg davon aus, dass sie vom "LEA-Privileg" profitieren. Das heißt, dass sie keine weiteren Geflüchteten in Form der sogenannten Anschlussunterbringung aufnehmen müssten.
Was spricht gegen eine Landeserstaufnahme auf dem Schanzacker?
Sowohl in Tamm wie auch in Asperg leben nach Angaben der Bürgermeister bereits jetzt jeweils rund 300 Geflüchtete. Es werde eine hervorragende Integrationsarbeit geleistet und auch künftig seien Geflüchtete willkommen. Bei weiteren bis zu 2.500 Geflüchteten auf dem Schanzacker sehen die Bürgermeister hingegen die Integrationsarbeit gefährdet.
Ebenfalls gefährdet sei der Blick auf den Hohenasperg, wenn der Schanzacker bebaut würde, so die Bürgermeister weiter. Sie weisen auch darauf hin, dass frühere Bebauungen wie beispielsweise der Bau eines Gefängnisses sowie die Ansiedelung einer Spedition auf dem Schanzacker letztlich gescheitert seien.
Der Schanzacker ist Teil eines regionalen Grünzugs. Dieser ist wichtig als Frischluftschneise und zur Naherholung, argumentiert auch Landrat Dietmar Allgaier (CDU). Aus Klimaschutzgründen spricht er sich gegen die Versiegelung dieser Grünfläche aus.
Ähnlich argumentiert Claus-Peter Hutter, Präsident der NatureLife-Umweltstiftung. Es dürfe keinesfalls die Unterbringung von Geflüchteten gegen Natur und Landschaft ausgespielt werden. Aber dort, wo Gewerbegebiete und andere Siedlungen nicht in die Landschaft passen, gebe es auch keinerlei Gründe für Flüchtlingsunterkünfte. Im Untersuchungsbericht des Landes steht außerdem, dass zur Erschließung des Grundstücks eine Brücke über die angrenzenden Bahngleise gebaut werden müsste. Auch erhebliche umwelt- und naturschutzrechtliche Bedenken werden aufgeführt. Zum Beispiel soll dort die besonders geschützte Feldlerche leben und eine für Pflanze gefunden wurde, die für eine Schmetterlingsart besonders wichtig ist. Stattdessen wird vorgeschlagen, die Fläche für eine große Solaranlage auf dem Ackerfeld zu nutzen.
Was sagt der Oberbürgermeister von Ludwigsburg zu einer möglichen LEA?
Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht (parteilos) verweist auf den "unglaublichen Druck", den das Land angesichts der Ankunft weiterer Geflüchteter habe. Er könnte sich aber lediglich eine LEA mit einer Größe von 600 Personen vorstellen. Keinesfalls sollte das gesamte Gebiet überbaut werden und zur Erschließung müsste eine Brücke oder Unterführung gebaut werden. Eine Einrichtung mit einer Größe von rund 2.000 Geflüchteten ist für den Oberbürgermeister nicht akzeptabel. Knecht sagte: "Sie fügt sich weder am Standort angemessen ein, noch ist sie in dieser Größe für die Kommunen in der Umgebung bewältigbar und zumutbar." Die Stadt prüft nach eigenen Angaben bereits rechtliche Schritte, sollte das Land versuchen, eine Landeserstaufnahmeeinrichtung gegen den Widerstand des Gemeinderats von Ludwigsburg mit Hilfe des Paragraphen 246 im Baugesetzbuch durchzusetzen.