Am Eugensplatz in Stuttgart riecht es diesen Samstag anders: nach Benzin. Denn rund 25 Teilnehmende treffen sich hier zum ersten Vespa-Gottesdienst. Einige fahren ihre restaurierten Sammlerstücke, andere einen leisen E-Roller. Pfarrerin Vinh An Vu strahlt vor Begeisterung. Sie hatte die Idee für diesen ganz besonderen Gottesdienst.
Erster Vespa-Gottesdienst in Stuttgart
Vu fährt jeden Sonntag mit ihrem Roller zur Arbeit, natürlich im schwarzen Talar. "Roller-Fahren ist für mich ein Lebensgefühl", erzählt die 37-Jährige. Sie ist evangelische Pfarrerin für die Gesamtkirchengemeinde Hedelfingen-Rohracker-Frauenkopf. "Man ist mobil, spontan und selbstbestimmt." Dieses Gefühl möchte Vu mit anderen Roller-Fans teilen.
Die Idee dafür hat sie schon seit einigen Jahren im Kopf. Als Vikarin in Norddeutschland fuhr sie mit ihrem Ausbildungspfarrer bei einem Motorrad-Gottesdienst mit. Dabei dachte sie, dass das doch mit einem Roller entschleunigter, gemütlicher und leiser ginge.
Als ihre Diakonin Julia Wagner ihre Vespa von Berlin nach Stuttgart holte, war der Plan für den ersten Vespa-Gottesdienst in Stuttgart geboren. Und die scheint bei einigen Roller-Fans ins Schwarze getroffen zu haben.
Ein Gottesdienst auf zwei Rädern
Vom Eugensplatz aus fahren alle zusammen zur Frauenkopfkirche. Von dort aus geht es über den spektakulären Speidelweg, einen legalen Schleichweg durch Wald und Weinberge, zur Bernhardkirche in Rohracker. Hier gibt es für jeden eine Limo und Zeit für Gespräche. "Unter Vespafahrern gibt es immer eine Gemeinschaft, das Italo-Feeling verbindet einfach", erzählt Daniel aus Stuttgart-Zuffenhausen.
Nach einem musikalischen Stopp in der Kreuzkirche in Hedelfingen fahren die Roller-Fans zur letzten Station: der Grabkapelle mit Blick über Stuttgart. Pfarrerin Vu ist zufrieden mit ihrem ersten Vespa-Gottesdienst.
Roller-Begeisterung in Vietnam entwickelt
Vus Begeisterung für die Vespa kommt nicht von ungefähr. Geboren wurde sie in Ho-Chi-Minh-Stadt (früher Saigon) , der Hauptstadt Vietnams. Mit vier Jahren kam sie nach Deutschland. "In Ho-Chi-Minh-Stadt gibt es 7,5 Millionen Mopeds bei 10 Millionen Einwohnern - das sagt alles!", erklärt sie.
Aber nicht nur in den engen Straßen der Millionenstadt kann der Roller ein gutes Gefährt sein. Schon im Vikariat fuhr Vu auf ihren zwei Rädern über die Felder zur nächsten Gemeinde. Und seit gut zweieinhalb Jahren entdeckt sie damit ihre Heimatstadt Stuttgart neu. "Auf dem Roller kann man ganz andere Schleichwege fahren und die Vielseitigkeit Stuttgarts nochmal anders erleben." Eine ihrer Lieblingsrouten führt über den Frauenkopf den Speidelweg hinunter - genauso wie beim ersten Vespa-Gottestdienst.