Ein Jahr danach

Erdbeben in der Türkei: Stuttgarter Helfer Serkan Eren wird die Bilder nicht los

Stand
Autor/in
Philipp Pfäfflin
Bild von Philipp Pfäfflin
Interview
Jörg Assenheimer

Am 6. Februar 2023 hat in der Türkei die Erde verheerend gebebt. Einer der ersten Helfer vor Ort war Serkan Eren von STELP. Auch ein Jahr danach kämpft er noch mit den Erinnerungen.

Ein Jahr nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien ist Serkan Eren immer noch traumatisiert. Er habe die halbe Nacht nicht geschlafen, sagte der Gründer der Stuttgarter Hilfsorganisation STELP am Dienstag dem SWR. Die Bilder des Erdbebens haben sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt und kommen in der Nacht auf den ersten Jahrestag der Erdbeben-Katastrophe wieder hoch. Bilder von Zerstörung, Leid und Tod.

Serkan Eren: Schlimmster Hilfseinsatz meines Lebens

Serkan Eren ist viel unterwegs, war in der Ukraine, Afghanistan, im Jemen. Ihm ist wichtig, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen, die Situation in den Krisen- und Kriegsregionen zu kennen, um dann zielgerichtet helfen zu können. Doch den Hilfseinsatz im Erdbebengebiet in der Türkei bezeichnet er als den schlimmsten in seinem Leben: "Die Bilder und vor allem die Gerüche sind mir bis ins Knochenmark gefahren und lassen mich bis heute nicht los."

"Ich bin immer noch traumatisiert von den Bildern, die ich dort ertragen musste."

Vor Ort habe er einfach nur funktioniert, berichtet Serkan Eren, als Helfer habe er in einen professionellen Modus umgeschaltet. "Man versucht da wirklich nur Menschenleben zu retten, zu helfen, wo man nur kann." Man schlafe und esse kaum noch, denke nicht an seine eigenen Bedürfnisse. "Aber es holt einen natürlich ein. Und ich bin immer noch traumatisiert von den Bildern, die ich dort ertragen musste."

Ein Großteil der Spendengelder geht in den Wiederaufbau

Rund 60.000 Menschen verloren bei den Erdbeben in Syrien und in der Türkei ihr Leben. Eine Fläche, fast so groß wie Deutschland, verwandelte sich in ein Trümmerfeld. Die Stuttgarter Hilfsorganisation STELP - abgeleitet von "STuttgart hELPs" - erhielt nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Euro Spenden für die Hilfe vor Ort in der Türkei und in Syrien. 60.000 Euro davon gingen demnach in die akute Katastrophenhilfe wie den Kauf von Decken, Zelten oder Wasser. Der Großteil fließt in den Wiederaufbau.

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Viele Gebäude sind immer noch ohne Wasser und Strom

Auch ein Jahr danach sei die Situation nicht gut. Serkan Eren nennt sie "katastrophal". Denn immer noch seien die Menschen angewiesen auf Hilfe von außen, auf private Initiativen, auf Hilfsorganisationen, die "tatsächlich sogar noch Wasser verteilen". Es lebten weiterhin Menschen in Zelten und in Containerstädten.

Den Gesamtschaden des Erdbebens beziffert die Stuttgarter Hilfsorganisation STELP auf rund 120 Milliarden Euro. So sei die Bevölkerung vor Ort zwar "sehr, sehr dankbar" für die Hilfe von außen, aber diese reiche nicht. Serkan Eren berichtet von Häusern, die nach dem Erdbeben gebaut oder wieder aufgebaut wurden, die immer noch nicht ans Wasser- und Stromnetz angeschlossen wurden.

Ein Mann steht vor einem Container, der zu einem Containerdorf gehört, das nach dem Erdbeben von STELP in der Türkei errichtet wurde.
Ein bisschen Normalität nach dem Erdbeben in der Türkei: Paprikas hängen zwischen den von der Stuttgarter Hilfsorganisation STELP errichteten Containern.

Containerdorf mit Fußball- und Basketballplatz

Man tue alles dafür, es den Menschen so erträglich wie möglich zu machen, sagt Serkan Eren. Dabei arbeite die Stuttgarter Hilfsorganisation nicht mit den Behörden zusammen, sondern suche sich eigene Partner vor Ort. So wurde zum Beispiel mit dem Sportclub Galatasaray Istanbul zusammen im Erdbebengebiet ein Containerdorf aufgebaut - mit Marktplatz, Fußball- und Basketballplatz, Spielplätzen für Kinder und psychologischer Betreuung.

Eine Erfahrung macht Serkan Eren immer wieder. Kurz nach einer Katastrophe sei die öffentliche Aufmerksamkeit sehr groß, entsprechend hoch sei auch die Spendenbereitschaft. Doch meist lasse das breite Interesse schon ein, zwei Wochen später nach. Für STELP sei das keine Option, man werde weiter den Opfern und Überlebenden beiseite stehen. Die Stuttgarter Hilfsorganisaton unterstützt weiter die Menschen vor Ort.

Ein Container in dem Containerdorf in der vom Erdbeben betroffenen Ortschaft Kahramanmaraş in der Türkei.
Die türkische Ortschaft Kahramanmaraş lag im Epizentrum des Erdbebens. Die Stuttgarter Hilfsorganisation STELP hat dort ein Containerdorf errichtet.

Gedenkfeier auf dem Schlossplatz in Stuttgart

Ein Jahr nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien hat der Stuttgarter Verein Mesnet zu einer Gedenkfeier für die Erdbebenopfer am Dienstag um 18 Uhr auf dem Schlossplatz in Stuttgart aufgerufen. Neben der Generalkonsulin der Republik Türkei in Stuttgart, Makbule Koçak Kaçar, dem Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, und dem Vorstandsmitglied der Internationalen Alevitischen Stiftung und Geistlicher Dede, Hasan Garkin Delil, wird unter anderem auch Serkan Eren sprechen.

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