Nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 soll die Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen/Zürich für mindestens sieben Jahre vom Hauptbahnhof Stuttgart abgetrennt werden. Zum Hauptbahnhof kommen Reisende und Pendlerinnen und Pendler dann nur noch durch Umsteigen in die Stadt- oder S-Bahn. Dagegen will die Deutsche Umwelthilfe (DUH) rechtlich vorgehen, wie sie am Dienstagvormittag bekannt gab. Das könnte dazu führen, dass ein Teil des alten Kopfbahnhofs ab 2025 in Betrieb bleiben muss. Zuerst setzt sie aber dem Eisenbahnbundesamt noch eine Frist.
DUH: Verstoß gegen bestehenden Planfeststellungsbeschluss
Die Kappung der Gäubahn ist aus Sicht der Umwelthilfe ein Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss zu Stuttgart 21. "Ich war überrascht, als ich im Planfeststellungsbeschluss gesehen habe, dass die unmittelbare zeitliche Abfolge der Bauabschnitte Grundlage für Stuttgart 21 ist", erklärte Remo Klinger, der Rechtsanwalt der DUH bei der Pressekonferenz am Dienstag. Der Planfeststellungsbeschluss sieht laut DUH einen "unmittelbaren Ersatz" vor, also eine Alternative zum wegfallenden Gäubahnanschluss zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Hauptbahnhof, wenn der alte Zulauf stillgelegt wird.
Mit der Unterbrechung der Gäubahn für mindestens sieben Jahre - also die Zeit, bis die neue Anbindung über den geplanten Pfaffensteigtunnel fertig sein soll - verstoße man klar gegen diesen Planfeststellungsbeschluss. "Eine derart starke zeitliche Abweichung - da ist der zeitliche Zusammenhang nicht mehr gegeben. Ursprünglich war im Planfeststellungsbeschluss von vier Monaten die Rede."
DUH-Chef: Auch unter Klimaaspekten ist die Unterbrechung nicht haltbar
Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sieht bei dem Thema auch den Klimaaspekt im Fokus. "Millionen von Menschen würden durch die Abkappung eher ins Auto steigen, anstatt die Bahn zu benutzen - das zur Freude der Autokonzerne." Die Folge wäre eine weitere Verschiebung von der Schiene auf die Straße. Das könne nicht gewollt sein, so Resch in der Pressekonferenz.
Bleibt der Kopfbahnhof vorerst bestehen?
Eine mögliche Folge, wenn die DUH jetzt gegen den Planfeststellungsbeschluss vorgeht, ist, dass ein Teil des Kopfbahnhofes bestehen bleiben muss, so Resch. Damit würde gewehrleistet werden, dass Züge aus Singen und Zürich auch weiterhin den Hauptbahnhof direkt anfahren können und somit die Beschlüsse erfüllt werden können. Der Anwalt Remo Klinger erklärt, dass es juristisch vor allem zwei Vorgehensmöglichkeiten gibt: Entweder ein Planänderungsverfahren oder man muss ein komplett neues Planfeststellungsverfahren einleiten.
Resch zweifelt darüber hinaus die sieben Jahre Bauzeit an, die gebraucht wird, um den Pfaffensteigtunnel fertig zu stellten. "Alle sagen, in sieben Jahren haben wir das soweit, dann ist der Pfaffensteigtunnel fertig. Aber es gibt noch keinen Planfeststellungsbeschluss. Da gibt es viele Unsicherheiten. Das halte ich für eine unseriöse Debatte."
Rechtsanwalt: Ersatzverkehr mit S- und Stadtbahnen nicht haltbar
Schon vor Monaten wehrte sich die Bahn gegen die Vorwürfe, man habe keinen Ersatz für die Unterbrechung der Gäubahn. Ein Ersatz sei durch den S-Bahn-Verkehr und den Ausbau der Stadtbahnen zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Hauptbahnhof gewehrleistet. Aber auch hier hält der Rechtsanwalt Remo Klinger dagegen. "Im Planfeststellungsbeschluss ist die Rede davon, dass nicht nur der Betrieb von S-Bahnen, sondern auch vom Fernverkehr aufrecht zu erhalten ist." Damit, so der Anwalt, sei das Ersatzkonzept der Bahn nicht haltbar.
Unterstützung von den Bürgermeistern entlang der Gäubahn
Unterstützt wird die DUH vor allem von den Anrainergemeinden der Gäubahn. Diese hatten, wie auch schon Umweltverbände, zuvor selbst geprüft, ob sie juristisch gegen die Abkappung der Gäubahn vorgehen können - erfolglos. Die Oberbürgermeister von Böblingen, Singen, Radolfzell und Konstanz fühlen sich durch die Baupläne von der Landeshauptstadt abgehängt. Von der Streckensperrung zwischen S-Vaihingen und Hauptbahnhof seien rund 1,4 Millionen Menschen im Süden von Baden-Württemberg betroffen, erklärte der Konstanzer Oberbürgermeister Ulrich Burchardt (CDU): "Die Kappung der Gäubahn wäre ein Rückschlag bei unseren Bemühungen, die Bevölkerung vom Fahren mit dem Zug und nicht mit dem Auto zu überzeugen."
DUH setzt dem Eisenbahnbundesamt eine Frist
Man habe dem Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde nun eine Frist von einem Monat gesetzt, dagegen vorzugehen, so die DUH. Andernfalls werde man Klage beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einreichen. Die DUH ist damit die erste Institution, die konkrete Pläne zu einem juristischen Vorgehen gegen die Abkappung der Gäubahn präsentiert. Die Deutsche Umwelthilfe sieht sich - anders als die Anrainergemeinden - in der Lage, eine Klage gegen das Planfeststellungsverfahren zu führen.