Waldbesitzer haften bei Unfällen

Zu gefährlich? Schömberg will Sitzbänke unter Bäumen abbauen

Stand
Autor/in
Torsten Hansel-Engelhart

Wer wandert, will auch Pause machen. Dafür stehen in Baden-Württemberg Tausende Sitzbänke im Wald und an Wanderwegen. Doch die Bänke kosten Geld - weil sie sicher sein müssen.

In Baden-Württemberg könnten müde Wanderinnen und Wanderer bald deutlich seltener Bänke zum Ausruhen finden. Denn viele Bänke könnten abgebaut werden, weil die Kosten für die Kontrolle, den Erhalt und die Sicherung der Bänke zu hoch sind. Diese Kosten müssen die Eigentümer übernehmen, also zum Beispiel der Staat, aber auch Privatbesitzer und die Kommunen. Denn bei Unfällen im Wald können sie haftbar gemacht werden. Im Bürokratendeutsch heißt das dann allgemeine Schadenersatzpflicht, abgeleitet aus der Verkehrssicherungspflicht.

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Schömberg will 60 von 400 Sitzbänken abbauen

Einigen Kommunen in Baden-Württemberg werden der Aufwand und die Kosten für die Bänke zu hoch. So will der Heilklimatische Kurort Schömberg im Nordschwarzwald (Kreis Calw) 60 von 400 Ruhebänken abbauen. Man habe im Sommer wie zuvor etwa Nagold "schweren Herzens" beschlossen, Bänke abzubauen, sagt Touristikchef Ulrich Döbereiner. "Das ist schon schmerzhaft für unsere Gemeinde". Rund 17.000 Gäste zählt der Ort jedes Jahr. Im Blick sind vor allem solche Bänke, in deren Radius von 30 Metern morsche und womöglich gefährliche Bäume stehen und die deshalb die Verkehrssicherungspflicht auslösen könnten.

Unterscheidung zwischen typischen und atypischen Gefahren im Wald

Hintergrund ist, dass mit speziellen Einrichtungen wie einer Bank oder einem Waldsofa nach geltender Rechtssprechung neuer "Verkehr" geschaffen wird. Dieser geht über das allgemeine Recht hinaus, den Wald zum Zwecke der Erholung zu betreten. Wegen des verstärkten Publikumsaufkommens entstehen für die Waldbesitzer umfangreichere Verkehrssicherungspflichten. 

Dabei unterscheidet die Rechtssprechung zwischen waldtypischen und atypischen Gefahren. Die in der Natur gewöhnlich vorkommenden Risiken wie herabfallende Äste gelten als typische Gefahren, für die der Waldnutzer selbst verantwortlich ist. Wird er aber auf einer Bank sitzend von abgestorbenem Holz verletzt, handelt es sich um eine atypische Gefahr bei der Nutzung von "Wanderinfrastruktur". 

So forderte ein Mann 60.000 Euro Schadenersatz vom Land Baden-Württemberg, weil er in einem Biergarten in Rastatt von einem herabfallenden Ast getroffen und schwer verletzt wurde. In diesem Fall wurde die Klage abgewiesen, weil der Baum regelmäßig kontrolliert worden war.

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Ein Mann forderte 60.000 Euro Schadenersatz, weil er 2021 durch einen abgebrochenen Ast schwer verletzt wurde. Zum Zeitpunkt des Unfalls war er Gast in einem Biergarten in Rastatt.

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Forstkammer fordert Entlastung der Waldeigentümer

Die Forstkammer Baden-Württemberg dringt - auch wegen des Klimawandels - auf Entlastung der Waldeigentümer. Sie seien nicht für das zunehmende Risiko verantwortlich, im Wald von toten Ästen oder auch ganzen Bäumen verletzt zu werden, sagt Jerg Hilt, Geschäftsführer des Zusammenschlusses von Waldbesitzern. "Wir dürfen nicht auf den finanziellen Kosten der Wetterextreme sitzen bleiben." Ein Viertel der Waldfläche Baden-Württembergs ist Staatswald, 35 Prozent Privat- und 40 Prozent Kommunalwald. 

Das Finanzministerium beziffert die jährlichen Ausgaben für die zweimalige Kontrolle zumindest für Sitzbänke im Park auf 120 bis 160 Euro. Hinzu kommen außerplanmäßige Überprüfungen nach Stürmen und die Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen. Aus Sicht der Forstkammer sind die Kosten viel zu gering angesetzt, wenn im Umfeld der Bänke marode Bäume gefällt werden müssen.

Waldbesitzer, die Unterhalt und Sicherheit der Rastmöglichkeiten nicht zahlen wollen, müssen diese beseitigen. Passiert das in großem Stil, sieht das Wirtschaftsministerium negative Wirkungen für das Urlaubsland Baden-Württemberg. Bei längeren Wanderungen sei eine Rast notwendig und habe einen großen Anteil am positiven Gesamterlebnis, so das Ressort von Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Es gebe Fördermöglichkeiten für Kommunen, wenn sie Sitzbänke als Teil einer öffentlichen Tourismusinfrastruktureinrichtung errichten wollen.

Deutscher Wanderverband hofft auf Gesesetzesänderung

Der Deutsche Wanderverband hofft nun, dass sich die gesetzlichen Bestimmungen demnächst ändern. Derzeit wird das Bundeswaldgesetz als Rahmen für die Landeswaldgesetze überarbeitet. Das sei eine gute Gelegenheit, die Interessen von Wanderern und Waldeigentümern zu berücksichtigen, heißt es beim Deutschen Wanderverband. Als Vorbild wird die Schweiz genannt. Dort seien Fußwege Teil des Verkehrswegenetzes und würden wie andere Verkehrsmittel vom Staat geplant und finanziert, sagt Natursportplaner Michael Neugaertner. "Aber davon sind wir noch Lichtjahre entfernt." 

FDP-Politiker: "Derzeitige Regelung ist absolute Idiotie"

Die FDP in Baden-Württemberg findet die derzeitige Regelung alles andere als vernünftig. Die Liberalen haben das Thema durch eine Anfrage an die Landesregierung zur Bedeutung von Sitzbänken für den (Wander-)Tourismus in Baden-Württemberg in den Fokus gerückt. Deren Landtagsabgeordneter für den Enzkreis, Erik Schweikert, spricht von einer "absolute Idiotie". Bei den Gemeinden trudelten Rechnungen des landeseigenen Forstbetriebs Forst BW für die Verkehrssicherung von Bänken ein, die sich auf dem Gelände vom Staatswald befinden. Da für die Kommunen das Aufstellen von Bänken keine Pflichtaufgabe ist, zögen diese sich aus deren Bereitstellung zurück. So wie es zum Beispiel Schömberg im Nordschwarzwald nun plant.

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