Schüler sitzt vor einem Bildschirm mit Lernplattform Moodle

Ukrainische Geflüchtete, Gaskrise und Corona als weitere Belastung

Schulen in BW seit Pandemie: Neue digitale Geräte, aber keine Fachkräfte zur Administration

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Ruben Moratz

Entspannung nach der Pandemie? Darauf haben wohl manche Lehrkräfte im Land gehofft. Bei der Digitalisierung hat sich bisher einiges verbessert, andere Baustellen hingegen bleiben.

Fabian Staber mag seinen Job, obwohl er dafür oft im fensterlosen Keller sitzen muss. Der 33-Jährige unterrichtet an der Theodor-Heuglin-Schule in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) Sport, katholische Religion und das Fach Medien. Aber er ist auch so etwas wie der IT-Experte der Schule. In besagtem Kellerraum kümmert er sich um die Digitalgeräte, mit denen Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler seit einiger Zeit den Unterricht bestreiten.

Die Corona-Pandemie hat einen deutlichen Schub in der Digitalisierung ausgelöst, berichtet Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung gegenüber dem SWR. "Endgeräte für Schüler und Lehrkräfte sind verfügbar. Software wurde weiterentwickelt und die Belastbarkeit des Bildungsnetzes wurde verbessert. Schulungen für die Lehrkräfte werden vermehrt angeboten", so Brand.

Schüler nutzen Tablets im Englisch-Unterricht.
Schüler nutzen Tablets im Englisch-Unterricht.

Digitalisierung: "Wer organisiert das Ganze?"

Allerdings heißt das nicht, dass alles gut ist. Das wird auch klar, wenn man auf die tägliche Arbeit von Fabian Staber in seinem Kellerbüro schaut. Dort kümmert er sich um Probleme mit dem Server, den iPads, den Smartboards oder sonstigen IT-Geräten. "Das beschäftigt mich jeden Tag mehrere Stunden", sagt er. Vom Kultusministerium vorgesehen ist dafür allerdings bei weitem nicht so viel: Eine Deputatsstunde wird Fabian Staber erlassen, weil er der sogenannte Netzwerkbetreuer der Schule ist. "Das reicht hinten und vorne nicht", sagt Staber.

Sein Schulleiter Jörg Fröscher vermisst eine langfristige Strategie der Landesregierung bei dem Thema:

"Wir sind mit Geld und Geräten überschwemmt worden, wussten teilweise nicht mehr, wie wir das Geld überhaupt noch ausgeben sollen."

"Aber was passiert jetzt eigentlich? Wer verwaltet diese Geräte? Wer organisiert das Ganze?" Es brauche eigentlich einen Digital-Hausmeister, sagt Fröscher.

Die Administration der Digitalgeräte ist eines der großen Themen, welches die Schulen auch im kommenden Jahr beschäftigen wird. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert einen Digitalpakt 2.0, in dem Landesregierung und Schulträger, also Kommunen, die Digitalisierung langfristig sichern. Die Rede ist unter anderem von IT-Fachpersonal, das die Schulen einstellen sollen. Aus dem Kultusministerium heißt es, man verhandle gerade mit den Kommunen, um zu klären, wie es mit der Verwaltung der Digitalgeräte weitergehe.

Corona und Gaskrise: Fenster auf und Heizung aus?

Mit Blick in den kommenden Herbst stellt sich außerdem die Frage, wie die Schulen mit den Problemen umgehen, die sowohl die Corona-Pandemie als auch die Gaskrise bereiten. Da die meisten Schulen noch immer keine Luftfilteranlagen haben, ist für den Infektionsschutz weiterhin Lüften angesagt. Wenn gleichzeitig weniger geheizt werden soll, um Gas einzusparen, könnte es kalt werden in den Klassenzimmern im Land.

In einer Grundschule steht ein Luftfilter in einem Klassenzimmer.
In diesem Klassenzimmer einer Grundschule steht bereits ein Luftfilter.

GEW-Landeschefin Monika Stein fordert die Landesregierung auf, in den Ferien ihre Hausaufgaben zu machen. "Sichere Schulen brauchen Luftreinigungssysteme und funktionierende Heizungen", so die Gewerkschaftsvorsitzende.

Dauerthema Lehrermangel - verschärft durch ukrainische Geflüchtete

"Der Mangel ist dramatisch", sagt VBE-Landeschef Brand. In den Grundschulen schaffe man es immer seltener, den Unterricht im Pflichtbereich zu sichern. Auch GEW-Chefin Stein schlägt Alarm: Bereits am ersten Schultag am 12. September müsse man sich auf Unterrichtsausfall einstellen. Fast alle Schularten hätten im nächsten Schuljahr zu wenig Lehrkräfte. Allerdings ist die Situation regional sehr unterschiedlich. Während es im Bereich der sogenannten Rheinschiene, also in der Gegend entlang des Rheins zwischen Freiburg und Karlsruhe, meist genügend Bewerberinnen und Bewerber auf freie Stellen gibt, gehen viele ländliche Regionen leer aus. Auch in der Landeshauptstadt Stuttgart ist die Lage schwierig.

Das Kultusministerium verweist darauf, dass die Einstellungszahlen zum aktuellen Zeitpunkt in der Größenordnung wie im vergangenen Jahr lägen. Außerdem gebe es noch das Nachrückverfahren. "Wir wissen aber, dass wir im kommenden Schuljahr, was die Lehrkräfteversorgung angeht, wieder einmal vor einer Herausforderung stehen", so ein Sprecher des Ministeriums. Im neuen Schuljahr rechnet das Ministerium mit rund 30.000 Kindern aus der Ukraine, die in Baden-Württemberg beschult werden müssen. Deswegen stehe man mit allen Beteiligten im Austausch, um Lösungen und Maßnahmen zu erarbeiten.

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Ukrainische Geflüchtete unterrichtet in Ditzingen

Auch an Fabian Stabers Schule in Ditzingen gibt es eine Klasse mit ukrainischen Kindern. Zur Freude des Schulleiters bot sich auch eine aus der Ukraine geflüchtete Frau an der Schule an: Sie sei in ihrer Heimat Lehrerin gewesen. Als Schulleiter Jörg Fröscher im Gespräch mit dem Regierungspräsidium eine Anstellung der Frau bewirken wollte, sei er gefragt worden, ob die Frau denn nachweisen könne, dass sie Lehrerin gewesen sei. Das habe ihn fassungslos gemacht, sagt Fröscher. Mittlerweile wurden bürokratische Hürden überwunden, die Frau unterrichtet nun.

Ihre Geschichte, aber auch jene von Fabian Staber und seines Schulleiters Jörg Fröscher zeigen: Es wird wohl auch im kommenden Jahr auf viel persönliches Engagement der am Schulleben Beteiligten ankommen.

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