Umfragetief der Grünen

Grüne Jugend BW: "Grüne müssen aufhören, rechten Narrativen hinterherzurennen"

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Autor/in
Katharina Fuß
SWR-Redakteurin Katharina Fuß

Um die Grünen steht es schlecht, die Umfragewerte sinken weiter. Die Grüne Jugend in BW hält ihrer Partei vor, rechte Positionen zu unterstützen und von ihren Kernthemen abzuweichen.

Schlechte Umfragewerte, schlechte Ergebnisse bei den vergangenen Wahlen, Rücktritte auf Bundesebene: Die Stimmung bei den Grünen ist nicht gerade rosig. Am Wochenende trifft sich die Grüne Jugend auf ihrem Bundeskongress in Leipzig. Die Hoffnung der Jugendorganisation in Baden-Württemberg: Der neue Bundesvorstand soll Aufwind bringen. Von ihrer Mutterpartei erwartet die Landes-Jugendorganisation, dass sie sich wieder ihren Kernthemen widmet und aufhört, rechten Narrativen zu folgen.

"Auch Grüne in BW schlagen bei der Asylpolitik den falschen Weg ein"

Tamara Stoll ist seit Anfang Oktober gemeinsam mit Tim Bühler die neue Landesvorsitzende der Grünen Jugend in Baden-Württemberg. Sie übernimmt das Amt in keiner einfachen Zeit. Die Grünen verlieren immer mehr an Zustimmung, das zeigt auch der aktuelle BW-Trend, eine repräsentative Umfrage im Auftrag von SWR und "Stuttgarter Zeitung".

Die beiden Landesvorsitzenden der Grünen Jugend Baden-Württemberg Tamara Stoll und Tim Bühler
Tamara Stoll (l.) ist seit Anfang Oktober gemeinsam mit Tim Bühler Landesvorsitzende der Grünen Jugend Baden-Württemberg.

Im SWR-Interview betont die neue Landesvorsitzende der Grünen Jugend: "Ich glaube, wir sind uns einig, dass das Ergebnis des BW-Trends alles andere als gut ist". Tamara Stoll erklärt sich das schlechte Abschneiden auch mit dem Handeln der Grünen in der Bundesregierung. Sie würden sich zu sehr rechten Positionen annähern. 'Wir haben gesehen, dass das eigentlich dann nur die rechten Parteien stärkt, also gerade kontraproduktiv ist bei so einem Umfrageergebnis", sagt Stoll. Auch die Landesregierung in Baden-Württemberg würde sich in der Asylpolitik für Verschärfungen aussprechen, das sei nicht der richtige Weg.

Politikwissenschaftler: Zuwanderung treibt Menschen um

Dass die Bundesregierung und damit die Bundes-Grünen mit schuld sind an den schlechten Umfragewerten der Grünen in Baden-Württemberg, sieht auch der Freiburger Politikwissenschaftler Michael Wehner. Er widerspricht allerdings der Vorsitzenden der Grünen Jugend - Migrationspolitik und die Sorge um Zuwanderung sei das, was die Menschen umtreibe: "Und das kann man eben auch nicht von der Diskussion letztendlich verbannen und ausschließen."

Grüne Jugend: "Müssen Zukunftsängste der Menschen ernster nehmen"

Ganz verbannen will die Grüne Jugend das Thema Migrationspolitik und die damit verbundenen Sorgen der Menschen auch nicht. Die Jugendorganisation fordert aber, dass sich ihre Partei wieder auf ihre Kernthemen konzentriert. Tamara Stoll hält zwei Themen für die Agenda der Grünen für besonders wichtig. Das erste Thema sei die Sozialpolitik. Viele, vor allem junge Menschen, hätten Zukunftsängste und Themen wie bezahlbarer Wohnraum, steigende Preise und die Rente würden da eine wichtige Rolle spielen, so Stoll.

Ich glaube, das bestimmende Thema der zurückliegenden Wahlen, gerade Beispiel Brandenburg, war soziale Sicherheit. Und Menschen wollen dementsprechend soziale Politik. Die Grünen vernachlässigen das aber momentan mit ihrem Mittelkurs.

Dass die Grünen sich wieder auf bestimmte Themen konzentrieren, hält auch der Freiburger Politikwissenschaftler Michael Wehner für richtig. Er wirft aber die Frage auf, ob soziale Gerechtigkeit tatsächlich eines der Kernthemen der Grünen ist. Er sieht das Thema eher als Markenkern der SPD oder des neu gegründeten BSW.

Politikexperte: Menschen haben Themen, die sie stärker betreffen als Klimaschutz

Das zweite Thema, das der Grünen Jugend im Land am Herzen liegt, ist der Klimaschutz. Darauf müsse sich ihre Partei wieder verstärkt konzentrieren, findet Tamara Stoll. Schließlich betreffe der Klimaschutz durch häufige Unwetter und Hochwasser auch direkt das Leben der Menschen in Baden-Württemberg. Ihre Partei müsse den Menschen nur mehr zeigen, wie Klimaschutz ihr Leben besser machen kann, betont Stoll.

Politikexperte Wehner sieht den Klimaschutz als Thema ganz klar bei den Grünen. Er betont aber auch, dass es bei den Wählerinnen und Wählern Themen gebe, die sie stärker direkt und zum jetzigen Zeitpunkt beträfen. Er verweist beim Thema Unwetterkatastrophen auf die Erfahrungen der Grünen bei der Wahl in Österreich mit der rechtspopulistischen FPÖ.

In Österreich gab es ein Hochwasser unmittelbar ein paar Tage vor der Wahl, das hat die Wahlerfolge der FPÖ auch nicht eingeschränkt. Selbst in den Gebieten, die vom Hochwasser betroffen waren, hat die Grüne Partei davon nicht wirklich profitieren können.

Grüne Jugend: Populistische Antworten kommen bei Krisen gut an

Ähnlich wie die FPÖ in Österreich hat in Deutschland bei den letzten Landtagswahlen im Osten die AfD viel Zuspruch bekommen, die in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird. Gerade auch bei jungen Wählerinnen und Wählern wird die Partei immer beliebter.

Stoll glaubt, dass die AfD gerade wegen der Zukunftsängste der jungen Generation so viel Erfolg hat: "Große Krisen kombiniert mit diesem Gefühl, dass man keine Chancen hat, sind der perfekte Nährboden für diese populistischen und einfachen Antworten der AfD."

Mit Blick auf ihre eigene Partei fordert die Vorsitzende der Grünen Jugend, dass die Versprechen, die sie der jungen Generation gemacht habe, auch einlöse. Es sei der Grünen Jugend wichtig, dass die Zukunftsängste, die ihre Mitglieder oft auch teilen würden, ernst genommen würden, so Stoll. Man müsse sich als Partei Gedanken machen, wie man die jungen Wählerinnen und Wähler wieder erreichen könne.

Bundeskongress der Grünen Jugend in Leipzig

Am Wochenende fährt Tamara Stoll nach Leipzig zum Bundeskongress der Grünen Jugend. Nach den vielen Rücktritten und Austritten in ihrer Jugendorganisation hofft sie dort auf eine Art Neuanfang durch die Wahl eines neuen Bundesvorstands der jungen Grünen. Sie glaubt, dass die Grüne Jugend etwas bewegen kann. Über Beschlüsse will sie im Vorfeld noch nicht viel sagen. Die Themen würden sich nicht groß ändern, der linkspolitische Kurs der Grünen Jugend solle beibehalten werden, so Stoll. "Wichtig ist, dass wir Veränderungen statt Anpassungen brauchen. Und man sich da auf jeden Fall die Frage stellen sollte, an welcher Stelle fordern wir diese Veränderung."

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