Mit zwei Programmen gegen sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen sind nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums im Jahr 2021 rund 170.000 Hafttage für säumige Schuldner vermieden worden. Das entspricht umgerechnet der Dauer von insgesamt 465 Jahren.
Die Idee dahinter: Wer eine Geldstrafe in Baden-Württemberg nicht begleichen kann, der kann sich statt der drohenden Ersatzhaft auch beraten lassen und den Betrag Stück für Stück abstottern - oder die Summe abarbeiten.
Gemeinnützige Arbeit statt Gefängnis
Allein durch das Projekt "Schwitzen statt Sitzen" seien 160.342 Hafttage gespart worden, rund 48.000 mehr als im Jahr zuvor, teilte Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) mit. Dabei können Schuldner am Staat den Gang ins Gefängnis abwenden, wenn sie gemeinnützige Arbeit leisten. Die Zahl der abzuleistenden Stunden ergibt sich aus der Zahl der Hafttage, die zu verbüßen wären. Nach vier Stunden Arbeit wird ein Hafttag gestrichen. Das Projekt gibt es seit 1987 in Baden-Württemberg.
Gerichtshelfer suchen Kontakt zu Schuldnern
Bei einem zweiten Projekt nehmen Gerichtshelfer bei Hausbesuchen Kontakt zum oft überforderten Schuldner auf, um über mögliche Ratenzahlungen und gemeinnützige Arbeit zu informieren. Sie schließen schriftliche Tilgungsvereinbarungen mit den Klienten ab und erinnern sie an den jeweiligen Zahlungstermin.
Es sei auf diese Weise möglich, mit dem Verurteilten zusammen individuelle Lösungen zu erarbeiten, so Justizministerin Gentges. "Damit gelingt es, auch sozial Abgehängte zu erreichen, die vor allem an der eigenen Alltagsorganisation, vielleicht schon am Öffnen der Post, scheitern." 2021 seien durch das Projekt mindestens 10.000 Tage in Haft vermieden worden, so Gentges.
Gefängnisse in BW entlastet
Aus Sicht von Gentges sind die Folgen nur positiv: Zum einen bliebe den Betroffenen die Haft erspart, zum anderen würden die ohnehin vollen Gefängnisse und die Staatskasse entlastet. Etwa 135 Euro pro Kopf und Tag kostet ein Tag Ersatzhaft. Im vergangenen Jahr saßen durchschnittlich 430 Häftlinge eine solche Strafe ab, in den beiden Pandemiejahren waren es 266 (2020) und 375 (2021) - deutlich weniger, weil auf den Vollzug sehr oft wegen der Corona-Lage vorerst verzichtet worden war.
Bundesregierung plant Gesetzesänderung
Sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen werden von der Staatsanwaltschaft angeordnet, wenn eine Geldstrafe nicht bezahlt wird und auch nicht eingetrieben werden kann. Ein Tagessatz Geldstrafe entspricht dabei einem Tag Freiheitsstrafe. Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich grundsätzlich am Einkommen des Beschuldigten.
Nach den Planungen der Bundesregierung soll ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe künftig nicht mehr einem, sondern zwei Tagessätzen entsprechen. Die Zeit hinter Gittern würde dadurch also halbiert. Der Bundestag muss dem Entwurf noch zustimmen. Justizministerin Gentges hält das allerdings für keine besonders gute Idee. "Es braucht die Ersatzfreiheitsstrafe als letzte Konsequenz, damit Geldstrafen als Sanktion ernst genommen und bezahlt werden." Die Reformen dürfen nach Ansicht der Ministerin demnach nicht dazu führen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe grundsätzlich zur Disposition gestellt wird.