Nach der Großrazzia in der sogenannten Reichsbürger-Szene sind inzwischen alle in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern festgenommenen Verdächtigen in Untersuchungshaft. Gegen zwei im Zuge der Razzia in Österreich und Italien festgenommene Männer hat die Bundesanwaltschaft Auslieferungsverfahren eingeleitet. Wann die beiden den Ermittlungsrichtern vorgeführt werden, stand auch am Freitag noch nicht fest.
Bundesanwaltschaft: Politisches System sollte gestürzt werden
Die Behörde hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, acht davon in Baden-Württemberg. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. 23 der 25 Festgenommenen seien inzwischen in Untersuchungshaft, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Donnerstag. Drei weitere Festgenommene gelten den Angaben zufolge als Unterstützer. Bis auf eine Russin haben den Angaben zufolge alle die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sprach von mittlerweile 54 Beschuldigten und von mehr als 150 Durchsuchungen, mindestens 38 davon soll es in Baden-Württemberg gegeben haben. Er ging von weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen in den nächsten Tagen aus. Bei rund 50 Objekten seien auch Waffen festgestellt worden. Den Obleuten des Innenausschusses des Bundestages war mitgeteilt worden, bei der Razzia seien zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter- und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen gefunden worden.
Militärischer Arm der Gruppierung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte davor, die Gruppierung zu unterschätzen. Was sie so gefährlich mache, sei, "dass es einen militärischen Arm davon gab. Mit Menschen, die früher in der Bundeswehr waren, also auch mit Waffen umgehen können", sagte die Innenministerin.
Aus Sicht der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich unter anderem gegen Rechtsextremismus engagiert, wurde die "Reichsbürger"-Szene allerdings bereits zu lange unterschätzt. Es habe in den vergangenen Jahren immer wieder deutliche Zeichen dafür gegeben, dass die Anhänger gewaltbereit seien und offenbar auch organisiert, sagte der für die Stiftung arbeitende Extremismusforscher Lorenz Blumenthaler. "Aber gerade in Sicherheitskreisen wurden die Gruppierungen oft verlacht und ihr enormes Gefahrenpotenzial trotz intensiver Warnungen der Zivilgesellschaft auf die leichte Schulter genommen."