In Ablehnung einig: BW-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wehrt sich mit fünf Regierungschefs aus Süd- und Westdeutschland gegen Zonen mit unterschiedlichen Strompreisen in Deutschland. Das hatten mehrere norddeutsche Bundesländer vorgeschlagen.
Neben Baden-Württemberg sind auch Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarlands gegen Strompreiszonen. Das geht aus einem gemeinsamen Papier der Regierungschefs Winfried Kretschmann (Grüne), Markus Söder (CSU), Boris Rhein, Hendrik Wüst (beide CDU), Malu Dreyer und Anke Rehlinger (beide SPD) hervor, das dem SWR vorliegt.
Verschiedene Strompreiszonen "eine Katastrophe"
Die sechs Ministerpräsidentinnen und -präsidenten fürchten wirtschaftlichen Schaden und letztlich die Abwanderung ganzer Branchen ins Ausland. So sprechen sie in ihrem Papier von einer "Schwächung der wirtschaftlich starken Länder des Südens und des Westens". Dies könne nicht im Interesse der Bundesregierung und auch nicht der norddeutschen Länder sein, heißt es.
So stünden einer möglichen Reduzierung der Börsenstrompreise einer Zone höhere für die Stromverbraucher einer anderen gegenüber. Zudem seien kleine Märkte ineffizienter als große, sodass große Marktteilnehmer ihre Marktmacht besser zulasten der Verbraucher ausspielen könnten, heißt es weiter. "Dagegen werden wir mit aller Macht kämpfen", sagte Kretschmann dem SWR. "Deutschland ist ein einheitlicher Wirtschaftsraum, das wäre absolut kontraproduktiv, die industriellen Zentren dafür zu bestrafen. Dagegen leisten wir Widerstand." Auch Jan Stefan Roell, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Baden-Württemberg, sagte dem SWR, getrennte Strompreiszonen seien "eine Katastrophe. Es darf nicht sein. Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen."
Habeck: "Frage nach Preiszonen kann nochmal eine Rolle spielen"
Auf SWR-Nachfrage an Bundeswirtschaftsminister Habeck, wie er zu unterschiedlichen Preiszonen für Strom stehe, sagte er: "Das ist im Moment keine Debatte, die ich führe." Es gebe Länder wie Italien mit unterschiedlichen Strompreiszonen, die so gering beieinander seien, dass man da fast keinen Effekt merke. Allerdings schränkte er ein: "Wir bauen Stromnetze aus, wir verbinden das ganze Land und die Frage kann nochmal eine Rolle spielen, wenn wir überlegen, wie der Strommarkt 2030 organisiert ist."
Länder wollen schnellen Ausbau der Stromübertragungsnetze
In ihrem gemeinsamen Papier fordern die Länder außerdem, dass die Bundesnetzagentur schnell den Netzausbau vorantreibe. Außerdem müsse für ganz Deutschland das gleiche Tempo beim Wasserstoff und dem Aufbau von Wasserstoffnetzen gelten.
Länder fordern Industriestrompreis für Unternehmen und Mittelstand
Baden-Württemberg und seine verbündeten Bundesländer im Süden und Westen Deutschlands fordern in ihrem Papier außerdem einen zeitlich begrenzten Industriestrompreis einzuführen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte vor kurzem einen Vorschlag für einen solchen Industriestrompreis gemacht. Demnach sollen die im internationalen Vergleich hohen Preise für Chemie- oder Stahlbetriebe auf höchstens sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Um Anreize zur Effizienz zu schaffen, soll nach Habecks Plänen der vergünstigte Preis nur für 80 Prozent des Verbrauchs gelten. Habecks Pläne haben für Streit in der Ampel gesorgt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht keinen finanziellen Spielraum für den Vorschlag.
Kretschmann und seine Mitstreiter schreiben in ihrem Papier, ein Industriestrompreis solle nach dem Auslaufen der Strompreisbremse der energieintensiven Industrie und dem Mittelstand auf ihrem Weg zur Klimaneutralität helfen. Er dürfe allerdings nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, müsse befristet und zudem "rechtssicher, einfach und unbürokratisch" sein, heißt es weiter. Ein konkreter Betrag wird in dem Papier nicht genannt.
Kretschmann: Gefahr, dass Industrien abwandern
BW-Ministerpräsident Kretschmann als einer der Initiatoren des Papiers sagte dem SWR, ein Industriestrompreis sei für eine Übergangszeit von "einigen Jahren" wichtig, "bis eben der Hochlauf der Erneuerbaren an Fahrt aufgenommen hat." Laut Kretschmann besteht sonst die Gefahr, "dass wichtige Unternehmen abwandern."
Dass Bundesfinanzminister das Geld zusammenhalten will, verstehe er zwar, sagte Kretschmann, machte aber deutlich: "Was man niemals machen darf, ist die Quellen des Reichtums zu untergraben." Wenn die Unternehmen abwanderten, habe Lindner in Zukunft keine Steuereinnahmen mehr, so Kretschmann. Man müsse eine Finanzpolitik machen, die wirtschaftspolitisch "atme", deshalb sei ein zeitlich begrenzter Industriestrompreis unerlässlich.