Die Politik beschließt Dinge, ohne sie ausreichend zu finanzieren. Dieses Prinzip zeigt sich nun besonders deutlich beim Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung, der ab 2026 gilt. Aus dem Bundesprogramm bekommt Baden-Württemberg 380 Millionen Euro für Baumaßnahmen, die dafür erforderlich sind. Demgegenüber stehen Anträge in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Deshalb wird nun gelost, welche Kommune Zuschüsse bekommt. Städte und Gemeinden sind empört – zurecht, findet Knut Bauer.
Hilflos, Ideenlos, Planlos. Immer wieder beschleicht uns das bange Gefühl, dass diese Attribute auf Teile der Politik zutreffen. Etwa, wenn ständig vom Bürokratieabbau geredet wird und gleichzeitig immer neue Vorschriften erlassen werden. Oder wenn ständig vom Fachkräftemangel die Rede ist, die grün-schwarze Landesregierung aber ein Jahr lang darüber streitet, wie die zentrale Stelle zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte organisiert wird. Dass nun aber alle Anträge für den Ganztages-Ausbau in eine Lostrommel geworfen werden und eine Ziehung der Zuschüsse über den Zuschlag von Fördermitteln entscheidet, stellt das alles in den Schatten. Willkommen im Casino Reitzenstein. Das Losglück entscheidet darüber, was sich eine Kommune künftig noch leisten kann. Wenn sie Pech hat, muss sie den Ganztagesausbau ohne Förderung finanzieren. Und sieht sich vielleicht gezwungen, ihr Schwimmbad zu schließen, weil sonst das Geld ausgeht. Und der Ganztagesanspruch erfüllt werden muss. Ob Kinder also künftig in einer Gemeinde wohnen, die sich noch was leisten kann oder in einer Gemeinde, die finanziell am Stock geht, hängt unter anderem, von der Zuschuss-Tombola ab. Kaum zu glauben. Man stelle sich das nur mal vor: statt nächtelange Sitzungen abzuhalten, steht Croupier Bayaz bei den Haushaltsverhandlungen am Roulette-Tisch. Die Minister setzen Jetons für ihren jeweiligen Bedarf, und dann rollt die Kugel. Ob es mehr Fördermittel für den Sozialwohnungsbau gibt oder Geld für die Sanierung maroder Brücken, darüber entscheidet das Spiel. Kann man sich nicht vorstellen, wird beim Ganztagesausbau in Baden-Württemberg aber praktiziert. Bitte schnell einlenken, bevor es über die grün-schwarze Koalition heißt: rien ne va plus – nichts geht mehr.