Seit Jahrhunderten gibt es die Untere Straße in Heidelberg. Sie ist auch als Partymeile bekannt. Wie lebt es sich dort? Die Antwort auf diese Frage hängt stark davon ab, wen man fragt: Anwohner, Wirte, Clubbesitzer und Feiernde. SWR-Reporterin Leonie Maderstein hat im neuem Youtube-Format "SWR Aktuell 360 Grad" nachgefragt:
Anwohner in Heidelberg: Party-Leben sei immer heftiger
Ellen ist eine von ihnen. Sie lebt schon seit 30 Jahren in der Heidelberger Altstadt. Ihre Beobachtung: Weniger Rücksichtnahme, weniger soziale Kontrolle. Die Partys starten später und hören entsprechend später auf. Heidelberg hat die älteste Universität Deutschlands. Studenten, die Party machen, gab es schon immer und Streit mit den Anwohnern auch. Aber in den vergangenen Jahren habe sich das Partymachen verändert, so Ellen.
Streit zwischen Feiernden und Anwohnern
Paul kann Menschen wie Ellen nicht verstehen. Seit mehreren Jahren lebt und arbeitet selbst in der Unteren Straße - als Barkeeper in einer Kultbar in Heidelberg. Paul genießt den Lebensstil in der Unteren. Als es ihn in die Untere zog, wusste er, worauf er sich einlassen würde. Die Lautstärke und der Dreck können stören, allerdings würde niemand gezwungen, in der Altstadt zu leben. Seine Empfehlung an Anwohner wie Ellen: Umziehen.
Club-Besitzer setzt sich für gegenseitiges Verständnis ein
Rico ist einer von zwei Chefs des legendären Clubs CAVE54, den Studenten 1954 gegründet haben. Musiker wie Carlos Santana, Ella Fitzgerald und Louis Armstrong sind hier schon aufgetreten.
Auch rund um den Club gibt es immer wieder Lärmbeschwerden von Anwohnern. Rico und seine Türsteher versuchen dafür zu sorgen, dass die Lautstärke sich in Grenzen hält. Das funktioniere aber nicht immer.
Grundsätzlich sieht es Rico ähnlich wie Paul. Wer in der Altstadt in Heidelberg lebt, weiß, was da los ist. Aber der Besitzer vom CAVE54 würde es nicht so zuspitzen: Wer schlafen will, soll wegziehen, damit die anderen Party machen können. "Ich bin jung, ich habe ein Recht auf Feiern, was kümmern mich die anderen" - mit dieser Einstellung kann Rico nichts anfangen. Er setzt auf ein gegenseitiges Verständnis.
Wann ist Schluss? Rechtsstreit um Sperrzeiten in Heidelberg
Für gegenseitiges Verständnis ist es inzwischen offenbar zu spät: Seit Jahren wird der Konflikt vor Gericht ausgetragen. Unterstützt von der Bürgerinitiative Leben in der Altstadt (LINDA) kämpfen einige besonders lärmgeplagte Anwohner für gesunden Schlaf. Derzeit dürfen die Kneipen in der Partyzone rund um die Untere Straße unter der Woche bis 1 Uhr öffnen. Am Wochenende bis 4 Uhr. Die Kläger wollen erreichen, dass die Kneipen unter der Woche um Mitternacht und am Wochenende um 1 Uhr schließen.
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat in der Zwischenzeit ein Urteil gesprochen. Demnach soll die Stadt strengere Sperrzeiten erlassen. Wann die Gaststätten künftig schließen müssen, steht also noch nicht fest. Einen genaueren Hinweis durch das VGH erhoffen sich die Prozessparteien durch die Urteilsbegründung, die noch aussteht. Viele Kneipen- und Clubbesitzer machen sich schon jetzt Sorgen. Wenn die Sperrzeiten tatsächlich auf 24 Uhr und 1 Uhr festgelegt werden, würde dies für viele das Aus bedeuten.