In Pforzheim bekommen die Menschen mehr Kinder als in den meisten anderen Städten in Baden-Württemberg. Die Zahl der Geburten ist hoch, obwohl die Stadt nicht ideal für eine Familiengründung scheint. Eine Spurensuche: Warum bekommt man hier eigentlich Kinder?
Diese Frage hat sich SWR-Reporterin Leonie Maderstein gestellt und hat sich vor Ort umgehört:
Innenstadt Pforzheim: Können sich die Menschen hier Kinder vorstellen?
"Ich will Kinder, aber auf keinen Fall in Pforzheim!" Fragt man die Menschen in der Innenstadt, kommt immer wieder diese Antwort. Für die Befragten ein Grund: Pforzheim sei zu unsicher, um Kinder sorglos groß zu ziehen. Dem widerspricht allerdings die polizeiliche Kriminalstatistik von 2023, wonach Pforzheim die sicherste kreisfreie Großstadt in Baden-Württemberg ist.
Was in Pforzheim dazukommt: Marode Schulen, geschlossene Schwimmbäder und massenhaft fehlende Kita-Plätze. Nach Auskunft der Stadt fehlten in Pforzheim im August 2024 knapp 500 Kitaplätze für die unter Dreijährigen und 400 Kitaplätze für Kinder, die älter als drei Jahre sind.
Geburtenrate in Pforzheim höher als der bundesweite Schnitt
Trotzdem scheinen die Herausforderungen in Pforzheim bei der Entscheidung für Kinder keine große Rolle zu spielen. Laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg lag die Geburtenrate der Stadt 2023 bei 1,6 Kindern je Frau. Im Vergleich: Bundesweit lag sie bei nur 1,3 Kindern je Frau, so das statistische Bundesamt.
"Wir haben uns vorher wenig Gedanken gemacht, vor allem keine Negativen." Nicole Boger hat schon das zweite Kind in Pforzheim bekommen. Der kleine Jona, ihr jüngster, ist neun Monate alt. "Weil mein Mann hier selbstständig ist, kam für uns nie infrage, wo anderes hinzuziehen", erzählt sie. Heute ist sie froh, dass sie sich im vorhinein wenig Gedanken über die negativen Seiten des Kinderkriegens gemacht hat. "Sonst hätte keiner mehr Kinder", glaubt sie.
Im Kreißsaal in Pforzheim
Am 19. August wurde im Helios Krankenhaus in Pforzheim das 1000. Baby geboren. Ein unglaublicher Durchlauf, der oft zu Stress auf der Geburtsstation führt, erzählt Dr. Zoltan Derzsy, Chefarzt der Geburtshilfe. Ihm fällt auf: "Deutschlandweit sehen wir einen Rückgang der Geburten, in Pforzheim ist das aber nicht so."
Er kann sich die hohe Geburtenrate nur teilweise erklären. "Die Pforzheimer Bevölkerung hat einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Und in vielen Kulturen ist es üblich, eine Großfamilie zu gründen." Er sei froh, dass er den glücklichen Moment, die Geburt, mit der Familie teilen dürfe.
Die Statistik hinter der Geburtenrate in Pforzheim
Ob die hohe Geburtenrate in Pforzheim tatsächlich etwas mit dem hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund zu tun hat, ist statistisch schwer zu beweisen. Das liegt unter anderem daran, dass die Stadt und das statistische Landesamt diese Zahl statistisch nicht aufstellt.
Eine Zahl, die vom statistischen Landesamt Baden-Württemberg aber ausgewiesen wird, bestätigt zumindest teilweise die Vermutung von Dr. Zoltan Derzsy. So haben Frauen ohne deutschen Pass in Pforzheim im Jahr 2023 durchschnittlich 2,1 Kinder bekommen. Frauen mit deutschem Pass haben nur 1,3 Kinder bekommen.
Hier Kinder bekommen? Es gibt sie, die Pforzheim-Fans
Und es gibt sie auch: Die Menschen, die gerne in Pforzheim aufgewachsen sind und sich hier auch vorstellen können, eine Familie zu gründen. Studentin Julia Kurt ist in Pforzheim aufgewachsen und engagiert sich im internationalen Beirat der Stadt. Sie ärgert sich, dass Pforzheim oft so schlecht dargestellt wird. Sie sei mit ihren Geschwistern in der Nordstadt glücklich aufgewachsen und habe sich nie unsicher gefühlt.
Sie glaubt, dass die hohe Geburtenrate in Pforzheim schon mit dem vielfältigen kulturellen Hintergrund der Bewohner zusammenhängt. "Dadurch, dass hier über 138 Nationen leben und viele auch aus dem südlichen Raum kommen, kennt man das nicht anders."
Viele Kinder in Pforzheim bringen Geldsegen für Stadt
Die vielen Geburten und die damit wachsende Bevölkerung bringt der Stadt einige Vorteile. Die Haushaltslage soll sich, laut Stadt, in den nächsten vier Jahren um rund 100 Millionen Euro verbessern. Grund ist die neue Berechnung des Finanzausgleichs Baden-Württemberg im Rahmen des Zensus von 2022. Laut Stadt soll dieses Geld unter anderem auch für Schwimmbäder und neue Erzieherinnen und Erzieher in den Pforzheimer Kitas ausgegeben werden.