Psychiater Mangel

Lange Wartezeiten für Patienten

Mangel an Psychiatern: Weinheimer Arzt "könnte die Patienten stapeln"

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AUTOR/IN
Julia Georgii
Porträtfoto von Julia Georgii

Die Wartezeiten, um einen Termin bei einem Psychiater zu bekommen, sind lang. Die Praxen überlastet - auch in Weinheim. Der Berufsverband der Psychiater fordert mehr Kassensitze.

Hohe Nachfrage und zu wenige Psychiater - so sieht es in vielen Orten in Baden-Württemberg aus. In Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) gibt es nur eine psychiatrische Praxis für rund 44.000 Einwohner. Psychiater Jens Marx ist überlastet und muss regelmäßig Anfragen ablehnen.

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"Man schaut, ob man in der Mittagspause noch Zeit hat oder ob man abends nochmal eine halbe Stunde dranhängen kann", sagt Marx. Die Überstunden verschlechtern seine eigene Lebensqualität, so der Psychiater weiter. Trotzdem versucht er, so viele Patientinnen und Patienten wie möglich zu behandeln.

Patientin: "Die Situation ist grausam"

Eine neue Patientin von Jens Marx ist Sibille (Name von der Redaktion geändert). Sie beschreibt die Suche nach einem Psychiater als grausam. "Überall Aufnahmestopp. Ich habe Panik bekommen, dass ich keinen Psychiater mehr finde", sagt sie. Auch in anderen Städten hatte Sibille keinen Erfolg. Nur durch eine Bekannte bekam sie schließlich einen Platz bei Jens Marx. Die schwierige Suche nach einem Psychiater habe ihren mentalen Zustand verschlechtert.

Kassenärztliche Vereinigung fordert mehr Geld von Politik und Krankenkassen

Um in Deutschland als Psychiater in einer Praxis zu arbeiten, muss man einen Kassensitz haben. In jedem Landkreis gibt es nur eine bestimmte Anzahl an diesen Sitzen. Die Zahl wird von einem bundesweiten Rahmen vorgegeben. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung großen Bedarf sieht, kann sie mehr Sitze schaffen. Das sei aber nicht so einfach, so die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Laut der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Doris Reinhardt fehlt vor allem das nötige Geld. Für jede Fachgruppe von Ärzten gibt es ein bestimmtes Budget. "Wenn wir mehr Sitze in einer Fachgruppe haben, dann ist die klare Forderung an die Politik und an die Kassen, auch mehr Honorar zur Verfügung zu stellen", sagt Doris Reinhardt.

Zu wenig Menschen wollen Psychiater werden

Außerdem gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung nicht genug angehende Psychiater, die neue Sitze besetzen könnten. Für den Berufsverband deutscher Psychiater ist das allerdings nur ein Scheinargument. Das Nachwuchsproblem gebe es tatsächlich. Wenn neue Sitze geschaffen werden würden, könne der Großteil davon aber trotzdem besetzt werden. "Gerade in größeren Städten gibt es genug Psychiater, die alle neuen Sitze besetzen könnten", so Sabine Köhler, eine der Vorsitzenden des Berufsverbands.

Zahl der psychisch Kranken stark gestiegen

Laut der Krankenkasse AOK ist die Zahl psychisch kranker Menschen deutschlandweit zwischen 2017 und 2021 um über 100.000 Menschen gestiegen. 2021 waren es rund 1,3 Millionen Menschen. Corona soll die Lage weiter verschärft haben. Laut dem Berufsverband deutscher Psychiater hätte die Zahl der Kassenärztlichen Sitze während Corona angemessen angepasst werden müssen. Das wurde aber nicht getan.

Der Weinheimer Psychiater Jens Marx fürchtet schwere Folgen, wenn es nicht bald mehr Sitze gibt. "Viele Patienten werden wahrscheinlich nicht behandelt werden. Die Erkrankungen werden schlimmer werden, bis die Patienten vielleicht tatsächlich suizidal werden und dann in der Landesklinik aufgenommen werden müssen", so Marx.