Die Zahl der türkischen Asylsuchenden ist derzeit ungefähr so groß wie vor sieben Jahren, zu Zeiten des Putschversuchs in der Türkei. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe bilden Menschen aus der Türkei im Landesankunftszentrum in Heidelberg mit 530 Asylsuchenden zurzeit die größte Gruppe, noch vor Syrern und Afghanen.
Für den Heidelberger Anwalt und Politiker Memet Kilic sind es vor allem drei Gründe, die Menschen derzeit aus der Türkei fliehen lassen. Da ist zum einen die wirtschaftliche Misere mit einer inoffiziell auf 150 Prozent geschätzten Inflationsrate. Viele Menschen könnten sich nicht mehr über Wasser halten. Hinzu kommt ein enormer politischer Druck nach der Wiederwahl von Präsident Erdogan.
Um zu verhindern, dass nach dem großen Erdbeben in der Türkei viele Menschen auf der Straße leben, sagt Kilic, hätte Erdogan auch denjenigen Pässe ausgestellt, die bislang keinen besaßen, weil sie verfolgt wurden oder eine Aussage bei der Polizei machen sollten. Viele von ihnen hätten die Türkei dann verlassen und Asyl beantragt.
Kilic vertritt geflüchteten Studenten
Mehmet Kilic ist wegen Präsidenten-Beleidigung selbst im Visier der türkischen Justiz. Als Anwalt vertritt er einige Menschen aus der Türkei in Asylverfahren. Auch einen Studenten, der seit Monaten auf seinen Asylbescheid wartet.
Nach einer Demonstration wurde er von der Polizei drangsaliert und nahm einen Freund im Auto mit, der als Anhänger der Gülen-Bewegung verfolgt wurde. Das habe er aber nicht gewusst. Auf der Fahrt gerieten die beiden in eine Radarfalle. So wurde die Polizei auf sie aufmerksam.
Der Student floh daraufhin über Serbien nach Deutschland. Jetzt - nach Erdogans Wiederwahl - sei die Situation weiter verschärft, kaum jemand sei vor Verfolgung sicher.
Vergleichsweise hohe Anerkennungsquote
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) registrierte nach eigenen Angaben von Januar bis Mai bundesweit rund 16.000 Asylsuchende aus der Türkei. Das ist ein Anstieg von knapp 230 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Ein Sprecher des Ministeriums sagte dem SWR, Menschen aus der Türkei hätten vergleichsweise gute Chancen, Asyl oder einen Schutzstatus in Deutschland zu bekommen. Die Anerkennungsquote von Asylanträgen aus der Türkei liege derzeit bei rund 15 Prozent. Vor dem Gülen-Putsch habe sie bei rund acht Prozent gelegen. Wie sich die Quote in den nächsten Monaten entwickeln werde, stehe allerdings in den Sternen.