Das Land Baden-Württemberg lässt als Vermieter hunderte Wohnungen leer stehen. Trotz der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt sind nach einer Stichprobe etwa 20 Prozent der landeseigenen Wohnungen nicht vermietet - vor allem die Landeshauptstadt Stuttgart ist betroffen. Das teilte das Finanzministerium auf eine Anfrage der oppositionellen SPD-Fraktion mit. Als Hauptgrund nennt das Ministerium den Sanierungsstau. Die SPD hatte die Zahlen für die meisten großen Städte und ein Dutzend der Landkreise abgefragt, die Daten liegen dem SWR vor.
Stuttgart treibt die Quote nach oben
Allein in Stuttgart stehen 64 der insgesamt 311 landeseigenen Wohnungen leer. In Heidelberg sind 23 von 67 Wohnungen nicht vermietet. In Ulm und im Alb-Donau-Kreis zeigt sich ein ähnliches Bild, dort haben 23 von 60 Wohnungen keine Mieter. In Mannheim stehen 11 der 89 Wohneinheiten des Landes leer, in Tübingen 5 von 51. Deutlich besser ist die Lage in Freiburg: Hier sind nur 2 der 48 landeseigenen Wohnungen nicht vermietet.
Leerstand bei landeseigenen Wohnungen viel höher als im Schnitt
Die Leerstandsquote bei den landeseigenen Wohnungen ist wesentlich höher als im Durchschnitt. Laut Zensus 2022 waren in BW 4,17 Prozent der knapp 5,5 Millionen Wohnungen nicht vermietet. Damit liegt Baden-Württemberg etwas unter dem Bundesschnitt von 4,33 Prozent. In Stuttgart liegt die Leerstandsquote bei 3,46 Prozent, das sind ungefähr 11.000 Wohnungen.
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In Baden-Württemberg fehlen Wohnungen und die Mietbelastung ist seit Jahren konstant hoch, besonders in den Städten. Eine Datenanalyse zeigt, wie angespannt die Situation ist.
SPD kritisiert: Wohnfrage hat bei Landesregierung keine Priorität
SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch hält die Zahlen des Finanzministeriums für "schockierend aber wenig überraschend". Wohnen sei die soziale Frage der Zeit und die Landesregierung habe keine Antworten darauf. "Neue Wohnungen werden kaum gebaut und die zahlreichen Wohnungen im Landesbesitz stehen leer. Damit wird das vielzitierte Mantra der Landesregierung 'Jede Wohnung zählt' zur absoluten Farce." Vor allem in Stuttgart suchten viele vergeblich nach bezahlbarem Wohnraum - und gleichzeitig stehe jede fünfte landeseigene Wohnung leer. "Das kann man den Wohnungssuchenden unmöglich erklären."
Ministerium erwägt Auslagerung des Wohnungsmanagements
Das zuständige Finanzministerium ist selbst "sehr unzufrieden" mit der Lage. Ein Sprecher sagte, man arbeite an Lösungen, "wie wir den Leerstand beheben und auch die notwendigen Sanierungen beschleunigen können. Dabei kommt zum Beispiel auch die Vergabe des Wohnungsmanagements an Externe infrage".
35 Wohnungen in Stuttgart stehen seit mehr als vier Jahren leer
In der Antwort auf die SPD-Anfrage erläutert Finanz-Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) zum Beispiel die Lage in Stuttgart. Bei den 311 Einheiten handele es sich um einen "historisch gewachsenen, verstreuten Wohnungsbestand. Die Spanne reicht von Mehrfamilienhäusern bis zu einzelnen, teils funktionsgebundenen Wohnungen in Dienstgebäuden in unterschiedlichen Lagen". 35 Wohnungen stünden schon mehr als vier Jahre leer, weitere 14 bereits länger als zwei Jahre. In 11 Fällen sind die Wohnungen seit über einem Jahr nicht vermietet, in einem seit mehr als einem halben Jahr.
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Als Begründung gibt Splett an, in den Fällen mit länger anhaltendem Leerstand bestehe in der Regel größerer Sanierungsbedarf. "Der zuständige Landesbetrieb Vermögen und Bau ist bemüht, den Leerstand zu reduzieren, der sich leider über viele Jahre aufgebaut hat. (…) Auch aufgrund des Alters des Wohnungsbestandes sind jedoch zum Teil sehr umfangreiche Sanierungsmaßnahmen notwendig, die längere Vorläufe haben. So erklärt sich auch, dass die Anzahl der Leerstände seit 2020 nochmal zugenommen hat."
Landeseigene Wohnungen sind häufig in älteren Gebäuden, die oft unter Denkmalschutz stehen - etwa Wohnungen in Schlössern oder in Finanzämtern. Auch durch Erbe gehen private Wohnungen oder Häuser an das Land Baden-Württemberg über. In der Regel sind landeseigene Wohnungen für Landesbedienstete vorgesehen, sie werden also intern vermittelt.
Kritik: Landesregierung übergeht eigene Vorgaben
Die SPD und der Mieterbund hatten schon Ende des Jahres kritisiert, dass die Landesregierung sich nicht an die eigenen Vorgaben halte. Mit dem Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum gibt das Land den Kommunen die Möglichkeit, gegen Leerstand vorzugehen. In Stuttgart gibt es seit 2016 die Regel, wonach Wohnungen nicht länger als sechs Monate leer stehen dürfen. Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Stuttgarter Mietervereins, hatte der "Stuttgarter Zeitung" gesagt, das Land könne sich nicht mit Alter der Wohnungen und schwerer Vermietbarkeit herausreden. In kaufmännisch ordentlich geführten Wohnungsunternehmen liege die normale Leerstandsquote nur bei etwa drei Prozent. Zudem sei der Leerstand auch eine erhebliche Verschwendung von Steuergeld.