Die Reform der Bauvorschriften in Baden-Württemberg hat eine weitere Hürde genommen. Die grün-schwarze Landesregierung hat sie am Dienstag auf den Weg gebracht. Wenn nun noch der Landtag zustimmt, wird Bauen im Land voraussichtlich ab Mitte kommenden Jahres durch weniger strenge Vorschriften erleichtert.
Bauamt reagiert länger nicht? Antrag genehmigt
Zentraler Punkt der Reform ist eine sogenannte Genehmigungsfiktion. Mit ihr gilt ein Bauantrag automatisch als genehmigt, sollte die zuständige Behörde nicht innerhalb von drei Monaten reagiert haben. Das Wohnungsbauministerium verspricht sich davon, dass Bauherren mehr Planungssicherheit haben sollen. "Wenn dem Baurechtsamt alle Unterlagen und Stellungnahmen vorliegen, beginnt die Uhr zu ticken", sagt die zuständige MInisterin Nicole Razavi (CDU) dazu. Das soll auch für das Errichten von Mobilfunkmasten gelten.
Ein Allheilmittel gegen zu wenig Wohnraum im Land sei die Reform nicht, räumt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einer Mitteilung selbst ein. "Sie ist aber ein zentraler Hebel für das Land, um wichtige Weichen für schnelleres und einfacheres Bauen zu stellen", findet Kretschmann.
Nutzungsänderung von Immobilie künftig leichter
Wer eine Immobilie umnutzen will, um darin Wohnraum zu schaffen, soll künftig keinen Bauantrag mehr stellen müssen. "Zur schnelleren Schaffung von Wohnraum werden Nutzungsänderungen hin zur Wohnnutzung generell verfahrensfrei gestellt", so das Ministerium. Verfahrensfrei bedeutet demnach, dass Bauvorhaben errichtet, verändert oder umgenutzt werden können, ohne dass hierfür ein baurechtliches Verfahren nötig ist. "Dies spart Bauherren Zeit und Kosten für die Realisierung ihres Bauvorhabens und entlastet die Baurechtsbehörden", heißt es. Doch verfahrensfrei bedeutet nicht, dass keine Regeln gelten: "Für die Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften sind die Bauherren dabei selbst verantwortlich", so das Wohnungsbauministerium.
Widerspruchverfahren bald ohne Regierungspräsidien
Sind Bauherren oder Nachbarinnen und Nachbarn mit einer Entscheidung von Behörden unzufrieden, können sie bisher zuerst bei der unteren Baurechtsbehörde Einspruch einlegen. Danach können sie das zuständige Regierungspräsidium einschalten, sofern ihr Einspruch keinen Erfolg hat. Diese "Extraschleife", wie die Landesregierung es nennt, soll künftig entfallen. Die Verfahren bei den Regierungspräsidien dauern aktuell im Schnitt zwischen 6 und 14 Monate, teilt das Wohnungsbauministerium mit. "Allein 2022 gingen bei den vier Regierungspräsidien im Land insgesamt 2.250 Widersprüche ein." Mit der Abschaffung der "Extraschleife" werde die Verwaltung entlastet.
Photovoltaikanlage ohne Genehmigung
Für Freiflächen-Photovoltaikanlagen soll durch die Reform keine Baugenehmigung mehr nötig sein. Das gilt den Angaben zufolge auch für gewerbliche Ladestationen, beispielsweise in Tiefgaragen. Und wer in Zukunft Photovoltaikanlagen auf einem unbebauten Baugrundstück errichten will, kann nach der Reform auch nicht durch eine Gestaltungssatzung der zuständigen Kommunen daran gehindert werden.
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Die Zahl der Photovoltaik-Anlagen auf Balkonen in BW hat sich seit Januar verdoppelt. Bürokratische und technische Erleichterungen sowie regionale Förderprogramme schaffen Anreize.
Weniger kleine Kinderspielplätze?
Bisher müssen Bauherren bei ihren Projekten unter Umständen einen Kinderspielplatz bauen. Ob sie sich stattdessen mit einer Überweisung an die Kommune von dieser Pflicht befreien können, entscheidet eine Behörde. In Zukunft sollen Bauherren selbst diese Entscheidung treffen können. Dann soll die Kommune mit dem Geld selbst einen Spielplatz bauen - oder, in Ausnahmefällen, für schon bestehende Anlagen verwenden. "Die Praxis zeigt, dass größere Spielplätze attraktiver sind und somit häufiger von Kindern genutzt werden, wohingegen die oftmals nur vereinzelt errichteten Spielgeräte auf den Baugrundstücken vernachlässigt werden", teilt das Wohnungsbauministerium dazu mit.