Wegen der Reform des Wohngelds rechnen baden-württembergische Kommunenvertreter ab Januar mit längeren Bearbeitungszeiten. Es werde zwangsläufig zu einem Antragsstau kommen, sagte der zuständige Dezernent des Städtetags Baden-Württemberg, Benjamin Lachat, auf SWR-Anfrage.
Personal "heute oftmals schon am Limit"
Denn ab Januar werden voraussichtlich mehr Menschen einen Anspruch auf Wohngeld haben. Der Städtetag geht von mindestens 160.000 zusätzlichen Haushalten im Land aus. Die Zahl könne aber auch weit höher liegen, so Lachat. Aktuell erhalten in Baden-Württemberg laut dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen rund 50.000 Haushalte Wohngeld in Höhe von monatlich durchschnittlich 288 EUR.
Lachat ist sich sicher, die Kommunen werden alles dafür tun, die Anträge schnell und gut abzuarbeiten. Aber weil es hier nicht um etwas Triviales gehe, ließe sich das nur bedingt beschleunigen. Laut Lachat kommen die Wohngeldbehörden - abgesehen von der momentanen Krankheitswelle - bisher mit dem Abarbeiten der Anträge hinterher. Insgesamt arbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sozialverwaltung wegen anderer Reformen aber "heute oftmals schon am Limit und sie werden weiter unter Druck kommen". Lachat geht davon aus, dass ab Januar dann "auch in Wohngeldstellen Menschen aufgrund dieses Drucks ausfallen".
Problem: Fachkräftemangel in Behörden
In den Wohngeldbehörden gibt es laut Städte-, Gemeinde- und Landkreistag Baden-Württemberg zu wenig Personal, das den drohenden Antragsstau abarbeiten könnte. Die Besetzung zusätzlicher Stellen sei "in vollem Gange", bestätigte Michael Schlichenmaier, Sprecher des Landkreistags, dem SWR. "Wir wissen aber, dass die Besetzung aller neuen Stellen nicht einfach wird, weil der Fachkräftemangel auch vor der öffentlichen Verwaltung nicht Stopp macht."
Es sei keine Option wie in der Corona-Pandemie Freiwillige oder Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten einzusetzen, so Lachat vom Städtetag. Das Rechtsgebiet sei komplex, die Einarbeitung dauere. Außerdem wird das zusätzliche Personal dauerhaft gebraucht. Denn das Wohngeld wird in der Regel für zwölf Monate bewilligt, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden.
Aber es geht nicht ausschließlich ums Personal. Auch die eingesetzte Software in den Landkreisverwaltungen müsse entsprechend angepasst werden, so Schlichenmaier. "Ein Silberstreif am Horizont" sei der digitale Wohngeldantrag, der über eine Serviceplattform eingereicht werden könne. Diesen finalisiere man gerade.
Vorlaufzeit ist laut Kommunenvertreter nicht ausreichend
Für eine groß angelegte Reform ist laut Schlichenmaier grundsätzlich eine längere Vorlaufzeit "unabdingbar". Das neue Bundesgesetz wurde erst am 8. Dezember 2022 verkündet, soll aber schon ab Januar gelten. Diesen Punkt kritisiert auch Lachat vom Städtetag. Jeder finde die Leistung gut, aber die Art und Weise führe eben zu dem erwarteten Antragsstau. "Unsere Kritik geht in Richtung des Bundes", sagte Lachat. Dieser solle, wenn er eine Reform anstoße, auch überlegen, was das konkret für die Kommunen heiße. Denn sie müssten die allermeisten Gesetze am Ende umsetzen.
Auch wenn sich Antragstellerinnen und Antragssteller auf längere Wartezeiten einstellen müssen, es geht kein Geld verloren. Zur Not werde das Geld rückwirkend ausgezahlt, versicherten die Vertreterinnen von Städte-, Gemeinde- und Landkreistag Baden-Württemberg dem SWR.
Vorläufige Auszahlung von Wohngeld möglich
Außerdem bietet das Gesetz die Möglichkeit, das Wohngeld vorläufig auszuzahlen. Das ist in Fällen mit längeren Bearbeitungszeiten vorgesehen, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie wohngeldberechtigt sind. Ob das Geld so bei allen Betroffenen im Januar schon ankommt, weiß Lachat aber nicht. Es sei nicht auszuschließen, dass es bei manchen auch vorläufig nicht so schnell gewährt werde.