Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Vorschlag der Linken-Chefin Janine Wissler, die Hausaufgaben abzuschaffen, begrüßt. Er könne dem einiges abgewinnen, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. In einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" hatte Wissler geschrieben, Hausaufgaben vertieften die Spaltung im deutschen Bildungssystem. "Denn der alltägliche Hausaufgaben-Stress vergiftet das Familienleben, bedeutet Streit, Überforderung, Tränen und schürt Aggressionen." Dies gelte ganz besonders für vollberufstätige und alleinerziehende Eltern, so Wissler.
Abschaffung von Hausaufgaben nicht ohne Alternativen
Auch für den baden-württembergischen Regierungschef spricht viel dafür, Hausaufgaben abzuschaffen. Dies könne jedoch nicht bedeuten, Hausaufgaben ersatzlos zu streichen. "Politik heißt in Alternativen zu denken", so der Grünen-Politiker. Kretschmann, der früher als Lehrer gearbeitet hat, bezeichnete sich als großen Anhänger des Ganztagsunterrichts. Indem man verbindliche Ganztagsschulen einführe, könnten Hausaufgaben vermieden werden. Er selbst habe als Lehrer von Nebenfächern fast nie Hausaufgaben gegeben, weil er von deren Nutzen nicht besonders überzeugt gewesen sei.
Kretschmann: Ganztagsschule an BW-Bevölkerung gescheitert
Der Sinn von Hausaufgaben sei, dass sich Schülerinnen und Schüler selbst mit einem Thema beschäftigen und dieses vertiefen, so Kretschmann. Dies müsse dann unter Anleitung in der Schule passieren. Das sei der Sinn eines Ganztagsunterrichts.
In der gemeinsamen Koalition mit der SPD von 2011 bis 2016 habe man das Ziel gehabt, die Ganztagsschule auszubauen. Im damaligen Koalitionsvertrag hieß es: "Unser Ziel ist eine rhythmisierte Ganztagsschule ohne Hausaufgaben, in der Unterricht, Lernzeit, Arbeitsgemeinschaften sowie Freizeit- und Bildungsangebote sinnvoll über den Schultag verteilt sind." Passiert ist davon wenig, nicht nur weil der Koalitionspartner SPD inzwischen von der CDU abgelöst wurde.
Die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule sei am Unwillen der Bevölkerung in Baden-Württemberg gescheitert, lautet Kretschmanns Diagnose. "Das ist in Baden-Württemberg kein populäres Programm gewesen. Und darum sind wir damit nicht sehr vorangekommen. "
Heute werde die Ganztagsschule kombiniert mit Betreuung und sei nicht verbindlich für die Schülerinnen und Schüler. Damit sei eine Abschaffung der Hausaufgaben schwieriger umzusetzen. Denn die Kinder in der Ganztagsbetreuung dürften keinen Vorteil gegenüber den Kindern ohne haben, so Kretschmann weiter.