SPD und Gewerkschaften in Baden-Württemberg fordern kräftige Investitionen in Schulen und Kitas, die aus der Corona-Reserve des Landes finanziert werden sollen. Viele Kinder und Jugendliche litten bis heute stark unter den Corona-Nachwirkungen, so die Begründung. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte dem SWR: "Die Landesregierung muss eine Bildungsmilliarde auf den Weg bringen. Die Schäden, die Corona im baden-württembergischen Bildungssystem hinterlassen hat, sind zu gravierend."
Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben das Land bisher rund fünf Milliarden Euro weniger gekostet als geplant. Im Moment will die Landesregierung mit diesem Puffer nur Schulden tilgen. Doch wegen der angespannten Lage in Schulen und Kitas steigt der Druck auf Grüne und CDU, zumindest einen Teil des Geldes zu investieren.
Finanzministerium will abwarten
Das Finanzministerium reagierte am Montag zurückhaltend auf die Forderung der SPD. Noch sei nicht abschließend klar, wie viel die Pandemie das Land kosten werde. Man könne noch keinen Schlussstrich unter die Corona-Kosten ziehen, heißt es aus dem grün-geführten Finanzministerium. Erst kürzlich seien beispielsweise die Uni-Kliniken nochmal erheblich unterstützt worden. Erst in den nächsten Monaten werde sich zeigen, welche weiteren Maßnahmen noch mit Corona-Notkrediten finanziert werden können oder müssen.
Mehr Lehrkräfte, um Unterrichtsausfall zu verhindern
Laut SPD-Fraktionschef Stoch gab es noch nie so viel Unterrichtsausfall wie derzeit. Er forderte im Gespräch mit dem SWR 1.000 zusätzliche Lehrkräfte. "Von den 5,3 Milliarden, die das Land noch auf der hohen Kante hat, muss die Landesregierung jetzt zumindest eine Milliarde in unsere Schulen und Kitas stecken", sagte Stoch. Das sei in vielen Bereichen "ohne Umwidmung der Corona-Hilfsgelder" möglich.
Der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Kai Burmeister unterstützt den Vorstoß der Opposition: "Viele Kinder und Jugendliche leiden bis heute stark unter den Coronafolgen, von daher sind mehr Bildungsinvestitionen eine Gerechtigkeitsfrage", sagte Burmeister dem SWR.
Hohe Krankheitsquote?
Schützenhilfe kommt auch vom Philologenverband Baden-Württemberg: "Der Unterrichtsausfall wegen Erkrankungen ist im laufenden Schuljahr mindestens doppelt so hoch wie im langjährigen Mittel", sagte Landeschef Ralf Scholl dem SWR. "Wir lagen im Oktober, November und Dezember jeweils bei Krankmeldungen von rund zehn Prozent der Lehrkräfte." Hinzu kämen aber wohl nochmal so viele Pädagogen, die ihre kranken Kinder zu Hause betreuen müssten.
Das Kultusministerium erklärte dazu, die Krankheitsquote liege bei den Lehrkräften in Baden-Württemberg zwischen sechs und 13 Prozent, wobei letzterer Wert vor Weihnachten erreicht wurde. Aus der Zahl erkrankter Personen lasse sich aber nicht ableiten, ob und in welchem Umfang Unterricht ausfalle.
GEW und SPD fordern mehr Schulpsychologinnen und -psychologen
Die Gewerkschaft GEW dringt wie die SPD darauf, die Reserve für Krankheitsvertretungen aufzustocken. Aber auch die Zahl der Schulpsychologen und -psychologinnen muss aus Sicht der GEW größer werden. Mit aktuell 200 Schulpsychologen bei 1,5 Millionen Schülerinnen und Schülern lasse sich kaum etwas ausrichten, sagte GEW-Landeschefin Monika Stein dem SWR. Das sieht Andreas Stoch ähnlich: "Drei Viertel der Eltern im Land fordern eindringlich mehr psychologische Beratungsangebote für ihre Kinder. Doch das Land lässt sie mit den Folgen der Corona-Krise alleine."
Eine nicht repräsentative SWR-Umfrage hatte vor Kurzem gezeigt, dass der Bedarf an psychologischer Unterstützung für Kinder in Baden-Württemberg groß ist. Das Deutsche Schulbarometer der Bosch-Stiftung hat zudem ergeben, dass Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen bevölkerungsreichen Ländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen bei der schulpsychologischen Versorgung hinterherhinkt.
Entlastung für Erzieher und Erzieherinnen
SPD und Gewerkschaften sehen auch bei Kitas Handlungsbedarf. Es müssten dringend Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte eingestellt werden, um Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten. "Zudem muss die praxisintegrierte Ausbildung gestärkt und Aufstockungs- und Rückkehrboni ausgezahlt werden, damit nicht noch mehr Kitas im Land ihre Öffnungszeiten einschränken müssen", sagte der SPD-Fraktionschef. Laut dem DGB-Landesvorsitzenden Burmeister ist eine gute und verlässliche Kinderbetreuung das A und O, damit Mütter und Väter arbeiten können.
"Bildungsmilliarde" schon vom Bundesfinanzminister gefordert
Der Begriff "Bildungsmilliarde" hat bundesweit Konjunktur: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) brachte bereits beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart eine jährliche "Bildungsmilliarde" zur Förderung von Schulen ins Spiel. Dieses Geld soll nach dem Willen seiner Parteikollegin, Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, in das "Startchancen-Programm" fließen, von dem 4.000 Schulen in ganz Deutschland mit einem hohen Anteil benachteiligter Schülerinnen und Schüler profitieren sollen.