Hat man im Alltag Leerlauf, zuckt die Hand bei vielen Menschen schnell zum Smartphone. Für den Karlsruher Psychologen Dominic Hennig ist klar: Das Smartphone und die sozialen Netzwerke wie Instagram, Facebook oder TikTok haben Suchtpotenzial. Ein Grund dafür ist laut Hennig der "kurzzeitige Kick", den wir dadurch bekommen - eine Art von Stimulation.
Das Problem: Glücksgefühle, die durch ein Herz oder einen Daumen hoch in den sozialen Netzwerken ausgelöst werden, sind kurzlebig, erklärt Hennig. Die positiven Gefühle durch die Umarmung halten demnach "deutlich länger".
Aber welche Auswirkungen hat das Smartphone auf uns? Und wie gelingt ein gesunder Umgang?
- Soziale Netzwerke: Kurzzeitig gute Effekte - langfristig schlechte
- Warum uns Soziale Medien einsamer machen
- "Digital Detox": So geht es laut einem Psychologen richtig
- Wie viel Erreichbarkeit auf dem Handy muss sein?
- "Rawdogging": Zu viel Verzicht auch nicht gesund
Kurzzeitig gute Effekte - langfristig schlechte
Im richtigen Maß können soziale Medien auch positive Auswirkungen haben - etwa zur Stressbewältigung, führt der Psychologe aus. "Gerade, wenn ich mit extremen Krisen in meinem Leben konfrontiert bin, dann hat eine kurzweilige Ablenkung auch Vorteile. Weil sie mich mal kurz herausnimmt", sagt Hennig. Zudem könne man so die Möglichkeit bekommen, auch mal anders über seine Probleme nachzudenken und eine neue Perspektive zu gewinnen.
Diesen Effekt beobachte man allerdings nur in kurzen Zeiträumen. Bereits ab etwa 14 Minuten Konsum der digitalen Medien senkt sich laut Hennig die Lebenszufriedenheit signifikant. Dabei gebe es mehr oder weniger einen linearen Zusammenhang. Heißt: Je mehr Nutzung, desto schlechter geht es uns. Wer allerdings wie viel Handynutzung am Stück verkraften könne, sei individuell, betont der Psychologe.
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Soziale Medien machen uns einsamer
Ein weiteres Problem an den sozialen Medien ist laut Hennig, dass sie uns mehr oder weniger kurzfristig das Gefühl geben, wir hätten Kontakt zu Freunden oder Bekannten - man sei Teil deren Lebens. Das führe dann dazu, dass wir unsere Bemühungen, uns im "echten Leben" auszutauschen, reduzieren - und in der Folge einsamer werden.
Besonders bei Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren sei das zu beobachten, weiß der Psychologe: Etwa 60 Prozent der jungen Menschen in dieser Altersgruppe fühlten sich einsam. Unter Psychologen gehe man davon aus, dass die sozialen Netzwerke und die Möglichkeit, sich digital zu vernetzen, dabei eine große Rolle spielen. Außerdem führe übermäßiger Konsum - gerade bei Kindern und Jugendlichen - dazu, dass wir auf Dauer nicht mehr Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können, erklärt Hennig.
"Digital Detox": So geht es laut dem Psychologen richtig
Wer sich bewusst dazu entscheidet, über eine bestimmte Zeitspanne auf das Smartphone, soziale Netzwerke oder gleich alle digitalen Einflüsse zu verzichten, macht eine Art "Digital Detox". Das kann laut Hennig sinnvoll sein - auch tageweise.
Aus dem Bereich Sucht kenne man das extreme Verlangen danach, auf das Handy zuzugreifen und verschiedene Seiten oder Apps aufzurufen. Dieses Verlangen lässt laut Hennig aber bereits nach einem Tag spürbar nach. Dann spüre man schon die positiven Effekte. "Bei Vielen reduzieren sich dann Ängste und Unsicherheiten", so der Psychologe. Außerdem würden viele Menschen bereits nach einem Tag schon aktiver - sowohl im sozialen Bereich als auch im sportlichen.
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Wie viel Erreichbarkeit auf dem Handy muss sein?
Zudem rät Hennig, bewusst darauf zu achten, wann eine ständige Erreichbarkeit wirklich notwendig ist. Laut dem Psychologen helfen die Fragen: Muss es der ganze Tag sein? Oder reichen vielleicht schon einige Stunden? Muss ich den ganzen Tag meine E-Mails abrufen oder reicht es, wenn ich das vielleicht dreimal mache?
Ratsam sei es in dem Zusammenhang auch, eine tägliche oder wöchentliche Routine aufzubauen. So könne man sich laut Hennig tägliche Grenzen setzen oder etwa an einem Tag der Woche oder einmal pro Monat auf das Smartphone verzichten.
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Zu viel Verzicht aufs Smartphone exzessiv
Zu viel des Guten helfe dabei aber auch nicht: So kritisiert Psychologe Hennig etwa die TikTok-Challenge "Rawdogging", bei der Menschen vor allem im Flugzeug auf jegliche Unterhaltung verzichten. Heißt: Sie lesen kein Buch, hören keine Musik und gehen teilweise nicht einmal auf die Toilette. Auch auf Mahlzeiten und Getränke verzichten einige Nutzer der Plattform.
SWR-Reporterin Laura Bisch hat sich mit dem Phänomen Rawdogging in einem Beitrag für ARD-Brisant beschäftigt:
Psychologe Hennig bewertet Rawdogging als problematisch. Dabei gehe es um eine übertriebene Form der Achtsamkeit. Er sagt: "Achtsamkeit in einem moderaten Sinne bedeutet, dass man sich für einen Moment lang auf etwas konzentriert. Rawdogging übertreibt das aber und versucht dann die Konzentration und die gleichzeitige Entsagung sämtlich anderer Bedürfnisse auf mehrere Stunden."
Bedürfnisse - ganz egal, ob es um Hunger oder Durst oder den Wunsch nach Zwischenmenschlichkeit geht - sollte man laut Hennig nicht über längere Zeit ignorieren.