"Es geht um Leben und Freude"

Wie der Kinderhospizdienst Karlsruhe die Geschwister schwerkranker Kinder betreut

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Autor/in
Markus Bender
Markus Bender, SWR

Der Alltag einer Familie verändert sich, wenn ein Kind schwer erkrankt ist und vielleicht bald sterben wird. Die Geschwisterkinder sind von dieser schwierigen Situation ebenso betroffen wie die Eltern. Der Kinderhospizdienst unterstützt Familien und schenkt ihnen Zeit und Zuwendung.

Erkrankt ein Kind schwer, können die Bedürfnisse der Geschwister innerhalb der Familie in den Hintergrund geraten. Beim Kinderhospizdienst Karlsruhe sind für diese schwere Zeit ehrenamtliche Mitarbeiter im Einsatz, um den Geschwisterkindern zu helfen.

So hilft der Kinderhospizdienst in Karlsruhe

Im Zimmer von Max tobt ein wilder Kampf: Der Fünfjährige ist in der Geschichte des Räuber Hotzenplotz vertieft. Gemeinsam mit Albrecht vom Kinderhospizdienst spielt er die Szenen mit Handpuppen nach. Die bunten Figuren springen dabei wild vom Bett über den Schreibtisch bis zu Fensterbank.

Kinderhospizdienst: "Es geht um Leben und Freude"

Für Max sind es unbeschwerte Stunden. Dass sein größerer Bruder Felix an Leukämie erkrankt ist - das darf und soll er jetzt einfach mal vergessen. Auch, dass momentan nicht abzusehen ist, wie sich die Krankheit entwickelt. In der Familie dreht sich der Alltag meist um den kranken Bruder.

Albrecht Simang will Max deshalb Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Er ist so etwas wie der Cousin oder der noch größere Bruder. Der 27-Jährige engagiert sich ehrenamtlich beim Kinderhospizdienst Karlsruhe. "Wenn man an das Kinderhospiz denkt, ist der erste Gedanke: Tod. Aber es geht vielmehr um Leben und Freude“, schildert er seine Sicht auf die Situation. Denn er begleitet nicht das kranke, sondern das gesunde Geschwisterkind.

Kinderhospizarbeit: Ehrenamtliche Mitarbeiter bekommen intensive Schulungen

Seit drei Monaten kommt Albrecht jede Woche einmal nachmittags zu Max nach Hause - tauscht seinen Job beim Finanzamt gegen Spielplatz, Kletterhalle und Spielzimmer. Für sein Ehrenamt beim Kinderhospizdienst hat er an sieben Wochenenden Schulungen bekommen. Für Fahrten oder Ausflüge bekommt er eine Aufwandsentschädigung vom Diakonischen Werk gezahlt.

Für die Eltern Angela und Sebastian Stritt ist Albrecht eine wertvolle Stütze im Alltag. Sie haben in den vergangenen Jahren und Monaten viele Tiefen und Rückschläge erlebt. Zwei Mal ist ihr ältester Sohn Felix an Leukämie erkrankt. Arztbesuche und Klinikaufenthalte prägen das Familienleben.

Leukämie: Eltern stehen vor großer Belastungsprobe

Während der siebenjährige Felix medizinisch versorgt wurde, wurde Bruder Max oft von Opa und Oma betreut. Erst nach der ersten Erkrankungszeit wurde den Eltern bewusst, dass für ihren jüngeren Sohn viel auf der Strecke geblieben ist.

Es ist schlimm, wenn man sieht: Man hat alles gegeben, um einem Kind zu helfen, hat aber sein anderes Kind dabei vergessen und konnte ihm nicht das geben, was es gebraucht hätte.

Rückgängig machen können die Eltern das Verpasste nicht - aber gegensteuern. Durch einen Hinweis ihrer Kinderärztin sind sie auf den Kinderhospizdienst in Karlsruhe aufmerksam geworden. Und durch Albrecht Simang bekommt Max jetzt exklusive Zeit geschenkt: "Man merkt, wie er das genießt und er sich jedes Mal richtig darauf freut", erzählt Sebastian Stritt.

Eltern sitzen mit zwei Kindern am Tisch: Eine Familie aus Karlsruhe bekommt Unterstützung bei der Geschwisterbegleitung vom Kinderhospizdienst
Das Motto der Familie Stritt: "Das Leben ist zu kurz für irgendwann".

Der Vater kritisiert, dass es für die erkrankten Kinder viel mehr Angebote und Möglichkeiten gibt als für Geschwisterkinder. "Man muss als Eltern immer hinterher sein, dass die Geschwisterkinder nicht auf der Strecke bleiben und genauso ihre Aufmerksamkeit und Bedürfnisse bekommt wie das erkrankte Kind." Das sei ein Spagat, der mitunter sehr schwierig ist.

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Geschwister von kranken Kindern müssen viel zurückstecken

Yvonne Kaul koordiniert den Kinderhospizdienst des Diakonischen Werks Karlsruhe, so auch die Einsätze der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sie kennt die Schwierigkeiten der Familien und Geschwisterkinder: "Gesunde Geschwisterkinder stehen in der Kita oder Schule vor der Herausforderung, dass andere oft nicht sehen, was sie leisten müssen. So können sie zum Beispiel weniger Freunde nach Hause einladen, wegen der Ansteckungsgefahr für das kranke Kind. Oder sie können weniger an Aktivitäten teilnehmen, weil die Zeit fehlt."

Diakonie Karlsruhe: Eltern schreckt der Begriff Kinderhospiz ab

In der Region Karlsruhe werden derzeit sieben Geschwisterkinder durch den ambulanten Kinderhospizdienst betreut. Yvonne Kaul geht aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Nicht immer würden Eltern sich für das gesunde Kind Unterstützung holen. "Der Begriff Hospiz schreckt viele Eltern meist ab", sagt sie. Zudem würde das Familiensystem nach einer Diagnose erst mal durchgerüttelt, weshalb der Fokus zunächst auf dem erkrankten Kind liegen würde. Die Kosten für die Begleitung einer Familie übernimmt zum Teil die Krankenkasse, teils trägt sie sich auch über Spenden.

Yvonne Kaul koordiniert den Kinderhospizdienst des Diakonischen Werks Karlsruhe
Yvonne Kaul von der Diakonie Karlsruhe koordiniert die Geschwisterbetreuung im Stadt- und Landkreis Karlsruhe.

Geschwisterbegleiter: Besonderes Ehrenamt im "Hier und Jetzt"

Auch wenn das Ende offen ist: Geschwisterbegleiter des Kinderhospizdienstes kommen in der Regel so lange, bis das Geschwisterkind gestorben ist und für eine Übergangsphase darüber hinaus. "Das gesunde Kind sagt von sich aus irgendwann, dass eine neue Phase für sie beginnt und ich nicht mehr zu kommen brauche." Sollte der Tag näher rücken, kann Albrecht die auch für ihn mögliche belastende Situationen mit einer Supervision aufarbeiten.

Über den Tod macht er sich aber jetzt keine Gedanken. Er spielt lieber mit Max und seiner Ritterburg: "In der Geschwisterbegleitung lebe ich im Hier und Jetzt und freue mich darüber, was jetzt ist."

Albrecht Simang arbeitet ehrenamtlich bei der Geschwisterbegleitung des Kinderhospizdienstes Karlsruhe.
Albrecht Simang hat mit der Geschwisterbegleitung von schwerkranken Kindern "seinen Platz" gefunden.

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