Übliche Herbstbelebung kaum spürbar

Mehr Kurzarbeit und schwache Konjunktur - mit diesen Problemen hat die Region Nordschwarzwald zu kämpfen

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Cornelia Stenull
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Die Kurzarbeit boomt. Im Interview erklärt die Chefin der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim, was die Region Nordschwarzwald braucht, um wieder aus der Krise herauszukommen.

Die Herbstbelebung am Arbeitsmarkt fällt in diesem Jahr weitgehend aus. "Der im Oktober saisonübliche Rückgang der Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise schwach ausgefallen", kommentiert die Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, Martina Lehmann, die aktuellen Arbeitsmarktzahlen für den Nordschwarzwald.

Interview über Situation auf dem Arbeitsmarkt im Nordschwarzwald

Die schwächelnde Konjunktur hat den Arbeitsmarkt dort weiterhin fest im Griff. Die angespannte wirtschaftliche Situation führe zu mehr Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Gleichzeitig seien Betriebe zurückhaltend bei Neueinstellungen, heißt es von der Arbeitsagentur, die für die Region Nordschwarzwald zuständig ist.

SWR Aktuell-Reporterin Cornelia Stenull hat mit Martina Lehmann, Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, über die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt in der Region Nordschwarzwald gesprochen.

SWR Aktuell: In welchen Branchen und Bereichen in der Region Nordschwarzwald ist die Konjunkturflaute am deutlichsten zu spüren?

Martina Lehmann: Sehr stark betroffen von der konjunkturellen Schwäche ist das verarbeitende Gewerbe, die Industrie, aber auch die Zeitarbeit. Im Bereich der Kurzarbeit haben wir eine sehr hohe Betroffenheit in der Industrie, die stark exportabhängig und von den geopolitischen Unsicherheiten betroffen ist.

Es sind im Wesentlichen der Maschinenbau, die Metallbearbeitung, aber auch der Bereich der Möbelproduktion. Da haben wir den einen oder anderen Betrieb, der im Moment Probleme hat.

SWR Aktuell: Mit der schwachen Konjunktur ist auch die Kurzarbeit zurück. Bundesweit registrieren die Arbeitsagenturen seit Monaten steigende Zahlen. Wie ist die Zunahme der Kurzarbeit aus ihrer Sicht zu bewerten?

Martina Lehmann: Wir sind in der Region Nordschwarzwald überdurchschnittlich stark betroffen von der Kurzarbeit. Ich denke, dass die hohe Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes zwar einerseits ein deutliches Zeichen für eine konjunkturelle Schwäche ist. Auf der anderen Seite zeigt es auch, dass die Betriebe tatsächlich versuchen, ihr Personal zu halten. Und mit diesem Instrument gelingt uns, die Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Und da bin ich sehr dankbar.

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SWR Aktuell: Es ist nicht das erste Mal, dass die Wirtschaft in Deutschland schwächelt. Was ist aus Ihrer Sicht jetzt notwendig, um aus dieser Krise wieder herauszukommen?

Martina Lehmann: Notwendig ist vor allen Dingen, dass jeder im eigenen Verantwortungsbereich schaut: Wo gibts noch Optimierungspotenzial? Wo kann man noch mal einen neuen Weg beschreiten?

Eine Qualifizierung ist wirklich der Schlüssel für viele Probleme. Sicher nicht für alle. Aber für mich in der Funktion der Arbeitsmarktexpertin ist es wirklich unheimlich wichtig, dass wir versuchen, für die Region ein möglichst hohes Qualifizierungsniveau zu erreichen. Das ist gut für die Wettbewerbsfähigkeit. Und es ist auch gut für die Arbeitsplatzsicherheit der Beschäftigten.

SWR Aktuell: Welche Projekte gibt es dazu im Nordschwarzwald, die von der Agentur für Arbeit unterstützt werden?

Martina Lehmann: So ein Projekt ist zum Beispiel das Projekt "Zukunft Handwerk", wo wir ganz gezielt arbeitslose Menschen dafür gewinnen konnten, im Handwerk ihre Zukunft zu finden. Und wo jetzt tatsächlich viele eine qualifizierte Ausbildung durchlaufen. Das Handwerk ist eben eine Branche, die genauso wie der Bereich Pflege und Gesundheit eine relativ krisenfeste Branche ist - das zeigen die letzten Jahrzehnte.

Martina Lehmann, Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim
Martina Lehmann, Chefin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim

SWR Aktuell: Das heißt dann auch, dass manche Beschäftigte über einen Berufswechsel nachdenken müssen.

Martina Lehmann: Genau. Es gibt zum einen die Möglichkeit zu sagen: Ich qualifiziere mich im Betrieb weiter, um im Betrieb meinen Arbeitsplatz zu halten. Das ist die eine Möglichkeit. Aber wir werden gerade auch im Automobilsektor die Situation haben, dass wir dort insgesamt weniger Arbeitsplätze haben werden. Das heißt, es muss ja dann auch einen Wechsel geben aus dieser Branche raus in andere Branchen hinein, die Bedarf haben.

Und deswegen ist es so wichtig, den Menschen den Blick zu öffnen dafür, welche Chancen auch andere Branchen in sich tragen. Aber es ist ein schwieriger Prozess für Menschen, die die langen Jahre immer im selben Betrieb gearbeitet haben und der Auffassung waren, dass sie da auch irgendwann mal in Rente gehen werden.

Aktuelle Arbeitsmarktzahlen für die Region Nordschwarzwald

Die Region Nordschwarzwald umfasst den Stadtkreis Pforzheim, den Enzkreis, sowie die Landkreise Freudenstadt und Calw. Nach einer ersten Hochrechnung zur realisierten Kurzarbeit für den Monat Juni 2024 haben im Bezirk der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim 5.540 Beschäftigte in 184 Betrieben kurzgearbeitet. Zum Vergleich: Im Juni 2023 waren es 1.966 Beschäftigte in 79 Betrieben.

Die Arbeitslosenquote ging im Oktober im Nordschwarzwald im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Prozentpunkte auf 4,4 Prozent zurück. Vor einem Jahr lag sie noch bei 3,9 Prozent.

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