Weihnachten steht vor der Tür und für viele stellt sich die Frage, wie sie die Feiertage verbringen möchten. Sarah Scholl ist Psychologin und Systemische Therapeutin aus Karlsruhe. Sie kennt es aus ihrer eigenen Praxis, wenn Menschen mit dem weihnachtlichen Trubel überfordert sind
- "Weihnachten nicht zu feiern, ist auch okay!"
- Was wenn ich an den Feiertagen alleine bin, aber gerne Gesellschaft haben möchte?
- Alleine sein heißt nicht einsam zu sein
- Was tun bei Konflikten mit der Familie an Weihnachten?
- Aktionen an Heiligabend in der Region
Psychologin aus Karlsruhe: "Weihnachten nicht zu feiern ist auch okay!"
Sarah Scholl rät allen, die mit Weihnachten nichts anfangen können, sich nicht von gesellschaftlichen Normen unter Druck setzen zu lassen. Hier gelte es sich abzugrenzen und die Feiertage individuell zu gestalten. Eben das zu tun, worauf man Lust hat.
Das könne ein Besuch in der Therme oder ein Kaffee mit Freunden sein. Auch die Feiertage so wie jeden anderen Tag zu verbringen, sei vollkommen in Ordnung, so die Psychologin. Wichtig sei es, dass es einem selbst dabei gut gehe.
Als absolute Ausnahme nennt sie Menschen mit psychischen Erkrankungen wie einer Depression oder sozialen Ängsten. Hier sei es wichtig sich medizinische oder therapeutische Hilfe zu holen, um langfristige Strategien zu erarbeiten.
Was, wenn ich an den Feiertagen alleine bin, aber gerne Gesellschaft haben möchte?
Nicht jeder hat Familie und Freunde direkt vor der Haustür. Vielleicht ist man frisch getrennt oder in eine neue Stadt gezogen und hat keine Möglichkeit über die Feiertage auf gewohnte Kontakte zurückzugreifen. Hier rät Sarah Scholl, sich Bekannten oder Kollegen zu öffnen und über die eigene Situation zu sprechen, auch wenn es zu Beginn schwerfällt.
So könne das Umfeld darauf reagieren und das Alleinsein könne von einem Stigma befreit werden. Zudem gebe es dadurch die Möglichkeit, auf sich und seine Situation aufmerksam zu machen und vielleicht eine Einladung zu erhalten oder selbst Gäste zu sich einzuladen.
Natürlich sei das nicht für jeden so einfach. Aber es könne dazu beitragen, selbst mit der Situation besser klar zu kommen, wenn man sich anderen öffnet, so die Psychologin. Zudem rät sie, sich über verschiedene Aktionen in der eigenen Stadt zu informieren: Entweder in Facebook-Gruppen, bei der Kirche oder bei der bundesweiten Aktion "Keiner bleibt allein."
Was, wenn ich trotzdem an Weihnachten alleine bin?
"Nicht den Kopf in den Sand stecken!", sagt Sarah Scholl. Auch wenn es einem schwerfalle, solle man sich hinterfragen und mit seinen eigenen Werten und Ansichten zu Weihnachten beschäftigen. "Was tut mir gut? Möchte ich dekorieren und mir einen Baum in die Wohnung stellen, auch wenn ich alleine bin?"
Es sei wichtig, es sich einfach gut gehen zu lassen, so Sarah Scholl. Sich selbst sein Lieblingsessen kochen oder Essen bestellen, in eine Bar oder ein Restaurant gehen oder den Abend auf dem Sofa mit der Lieblingsserie verbringen, alles sei erlaubt. Auch Video-Calls mit Freunden, die weiter weg wohnen, können zu einem schönen Abend verhelfen.
Alleine zu sein heißt nicht einsam zu sein
Es gibt einen großen Unterschied zwischen alleine und einsam sein, betont Sarah Scholl. Einsam zu sein, wird als ein negatives Gefühl in der Psychologie beschrieben und kann sehr subjektiv empfunden werden. Es bedeutet: Die sozialen Beziehungen, die ich mir wünsche und die, die ich habe, gehen auseinander, so Scholl. Doch nicht jeder der alleine ist, sei auch einsam.
"Es gibt Menschen, die sind an Weihnachten gerne alleine. Deswegen müssen sie nicht einsam sein", sagt Sarah Scholl. Für diese Menschen fühle es sich richtig an, Zeit alleine zu verbringen. "Nicht jeder profitiert von vielen sozialen Kontakten."
Einsamkeit dagegen sei ein unangenehmes Gefühl: Es gebe Menschen, die in einer Menschenmenge stehen und sich trotzdem einsam fühlen, so die Psychologin. Bei anhaltender, starker Einsamkeit sei es ratsam sich therapeutische Hilfe zu holen und darüber zu sprechen.
Was tun bei Konflikten mit der Familie an Weihnachten?
Sollte es aus verschiedenen Gründen nicht möglich sein, auf die traditionelle Familienfeier zu verzichten, können laut Sarah Scholl folgende Dinge helfen:
Bewusst werden: Wieso möchte ich trotzdem mit der Familie feiern?
Laut Sarah Scholl kann es helfen, sich darüber bewusst zu werden, wieso man eigentlich gerne trotzdem mit der Familie feiern möchte. Sich zu Fragen: Was ist mir daran so wichtig? Auch kann es helfen, sich von falschen Vorstellungen zu verabschieden. Es gehe darum, realistisch an das Familientreffen ranzugehen und sich einzugestehen:
Wie möchte ich reagieren?
Im Vorfeld kann man sich Gedanken machen, wie man auf eine Situation reagieren möchte, sagt Sarah Scholl. Häufig sind die Themen, die für Ärger sorgen, schon vorher im Jahr aufgeploppt. Hier helfe es sich zu überlegen, ob man auf das Gesagte eingehen möchte oder nicht. Deswegen ist es wichtig, die Situationen vorher schon im Kopf durchzugehen und sich zu überlegen: Was ist das Schlimmste, das passieren kann und wie möchte ich darauf reagieren?" So habe man schon einen Plan im Kopf.
Sollte es verletzend werden, rät Scholl dazu, klare Grenzen zu ziehen und den Gegenüber zu bitten, das zu unterlassen. Das funktioniere mit manchen Menschen besser und mit anderen schlechter. "Das ist auch nur als Tipp zu verstehen und es hilft auch leider nicht bei jedem."
Themen vorher ausschließen
Scholl rät dazu sich vorher zu überlegen, welche Themen es gibt, die für Zündstoff sorgen könnten und die Person dann noch vor den Feiertagen darum zu bitten, dieses Thema nicht anzusprechen.
Weihnachten nicht alleine sein: Aktionen in Karlsruhe, Rastatt und Baden-Baden
In Karlsruhe kommt nach zwei Jahren Corona-Pandemie die Aktion "Weihnachten nicht alleine" zurück. Hier können Menschen, die Kontakte suchen, mit anderen ein gemeinsames Weihnachtsessen genießen. Zudem sind auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sowie Spender willkommen. Das Angebot ist kostenlos.
Weihnachten in Ettlingen in der "Scheune"
In Ettlingen veranstaltet das Diakonische Werk des Landkreises Karlsruhe an Heiligabend ein Weihnachtsfest in der alten Scheune im Hinterhof des Diakonischen Werkes in Ettlingen. Das "Offene Tor" ist sowohl für junge und ältere Menschen, Alleinstehende und auch Familien, die den Heiligen Abend einmal anders erleben oder nicht allein sein möchten. Für das leibliche Wohl ist laut Veranstalter bestens gesorgt.
Es wird um Voranmeldung beim Diakonischen Werk gebeten und vor der Veranstaltung einen Coronatest zu machen. Das Angebot ist kostenlos.
"Gemeinsam statt einsam" in Baden-Baden
Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) lädt in Baden-Baden am 24.12. ab 16.30 Uhr in den Dietrich-Bonhoeffer-Saal ein. Mit Kaffee, Kuchen, Plätzchen, Liedern und einem warmen, festlichen Abendessen soll der Heilige Abend gefeiert werden. Anmeldungen bei Susanne Voegler, E-Mail: svoegler@t-online.de bis zum 20.12.. Das Angebot ist kostenlos.
Heiligabend in Rastatt
In der Stadt Rastatt organisiert der Hospizdienst Rastatt die "Offene Tür an Heiligabend". Im Gemeindehaus St. Alexander geht es um 16.30 Uhr los. Gegen 21 Uhr soll die Aktion beendet sein. Mehr Infos unter der Nummer 07222/775540. Das Angebot ist kostenlos.