Seit Jahren protestieren Aktivisten der Organisation "40 Days for Life" ("40 Tage für das Leben") regelmäßig vor der Pforzheimer Beratungsstelle von Pro Familia. Meistens sind es vier bis fünf Protestierende, die Plakate in den Händen halten, auf denen unter anderem ungeborene Kinder zu sehen sind. Zweimal im Jahr halten die Abtreibungsgegner ihre Mahnwachen ab – immer 40 Tage am Stück.
SWR-Reporterin Sophie Rebmann war in Pforzheim:
Schwierige Situation für Beratungsstelle Pro Familia in Pforzheim
Für die Mitarbeiter von Pro Familia ein Dauerärgernis. Ratsuchende Frauen, so Geschäftsführerin Edith Münch, würden stigmatisiert, gedemütigt und eingeschüchtert. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz setze voraus, dass Frauen unbelastet zu einer ergebnisoffenen Beratung gehen können. Durch die Aktionen der Abtreibungsgegner sei das nicht möglich.
Hilfesuchende, die zu Pro Familia gehen, fühlen sich von den selbsternannten Lebensschützern bedrängt. Vor allem, wenn sie sich selbst in Konfliktsituationen befinden, wie etwa eine ungewollt Schwagere Mitte 30. Sie hat schwere Depressionen und eine Essstörung. Ein Kind zu versorgen, kann sie sich nicht vorstellen. Schon eine Schwangerschaft wäre für ihren Körper eine Zumutung. Daher will sie eine Abtreibung, auch weil sie das Kind nicht zur Adoption freigeben will. Sie hat selbst schlechte Erfahrungen mit Heimen gemacht. Und doch ringt sie mit den Tränen, als sie über die Entscheidung spricht. In einem solchen Moment auch noch an den Abtreibungsgegnern vorbeizumüssen, mache es nur doppelt schwer.
Jahrelanger Rechtsstreit um "Gehsteigbelästigungen" vor Pro Familia
Auch Vertreter von Stadt, Parteien und Kirchen kritisierten die "Gehsteigbelästigungen". 2019 hatte die Stadt Pforzheim die Mahnwache vor Pro Familia verboten, wogegen die Abtreibungsgegner jedoch erfolgreich klagten. Seither durften die Aktivisten wieder in Sichtweite zur Beratungsstelle stehen.
Rebecca ist jetzt schon zum zweiten Mal bei der Mahnwache dabei. Sie ist Studentin und in der semesterfreien Zeit verbringt sie ihre Vormittage gegenüber von Pro Familia, um gegen Abtreibungen zu beten.
Die Pforzheimer SPD-Abgeordnete Katja Mast hatte sich deshalb jahrelang für ein Gesetz starkgemacht, das Kommunen erlaubt, "Gehsteigbelästigungen" zu untersagen. Ziel sei es, Schwangere und das Personal von Konfliktberatungsstellen und Kliniken, die Abbrüche vornehmen, zu schützen, so die Politikerin. Zu all diesen Stellen sollten Frauen jederzeit ungehindert Zugang haben.
Geldbußen bis 5.000 Euro möglich
Das im Juli vom Bundestag verabschiedete Gesetz verbietet nun bestimmte Protestformen vor Beratungsstellen und Kliniken. Dazu zählt beispielsweise, Schwangere und Mitarbeitende von Beratungsstellen, Kliniken oder Arztpraxen am Betreten oder Verlassen der Gebäude zu hindern, die Frauen gegen ihren Wunsch anzusprechen oder einzuschüchtern. Ein solches Handeln kann künftig mit bis zu 5.000 Euro Bußgeld geahndet werden.
Abtreibungsgegner müssen in Pforzheim bald Abstand halten
Das Gesetz muss allerdings noch durch den Bundesrat. Die Abstimmung soll an diesem Freitag stattfinden. Sobald es anschließend vom Bundespräsidenten unterzeichnet sei, so Pforzheims Erster Bürgermeister Dirk Büscher, wolle man die Regelung umsetzen. Das heißt: Die Abtreibungsgegner müssen mit ihren Mahnwachen einen Mindestabstand zu Pro Familia von 100 Metern einhalten. Büscher findet das Gesetz richtig und wichtig. Frauen in Konfliktsituationen, so Büscher, dürften nicht durch derlei Protestaktionen zusätzlich psychisch belastet werden.