Angesichts des zurückgehenden Interesses am Schutz vor potenziell krebserregenden Humanen Papillomviren (HPV) ruft die Krankenkasse DAK zu einer Impf-Offensive auf. "Der hohe Rückgang bei HPV-Impfungen im Südwesten ist besorgniserregend und ein schlechtes Zeichen für die Gesundheitsvorsorge unserer Kinder", sagt Siegfried Euerle, der Landeschef der DAK-Gesundheit, in Stuttgart.
Nach der Corona-Pandemie sei der erhoffte Nachholeffekt ausgeblieben. Dabei sind HPV-Impfungen laut DAK besonders wichtig, denn sie schützen junge Menschen vor Krebserkrankungen, die oft zum Tode führen. Humane Papillomviren werden sexuell übertragen und können Gebärmutterhalskrebs sowie Krebs im Mund-Rachen-Raum, an weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen und im After verursachen. Eine Impfung sollte idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen.
Medizin Immer mehr HPV-bedingte Fälle von Rachenkrebs durch Oralsex
Auch wenn die Gesamtzahl der Neuerkrankungen gering ist: Immer mehr Menschen in Deutschland erkranken infolge einer HPV-Infektion an Rachenkrebs. Übertragen wird das humane Pampillomvirus – kurz HPV – zum Beispiel durch Oralsex. Fast jeder steckt sich in seinem Leben einmal an, meist schon bei den ersten sexuellen Erfahrungen.
Nachfrage dramatisch eingebrochen
HPV-Impfungen werden von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Doch die Nachfrage nach der Impfung ist in Baden-Württemberg dramatisch eingebrochen, wie eine Sonderanalyse der DAK ergab: Im vergangenen Jahr wurden 24 Prozent weniger Kinder und Jugendliche als im Vorjahr gegen Krebs geimpft. Besonders stark ist der Rückgang bei 15- bis 17-jährigen Jungen. Hier sank die Zahl der HPV-Impfungen um 39 Prozent. Insgesamt gab es bei Jungen ein Minus von 28 Prozent und bei Mädchen von 21 Prozent.
Auch der Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 zeigt einen rückläufigen Trend. Laut Robert Koch-Institut erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 6.250 Frauen und 1.600 Männer an HPV-bedingtem Krebs.
Krebsbehandlung Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs schützt vor Rückfall
Das Humane Papillomvirus verursacht deutschlandweit jährlich über 4000 Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Eine HPV-Impfung kann vorbeugen, ist aber auch zur Nachbehandlung sinnvoll.
Krebsverband empfiehlt Eltern Impfung
Der Krebsverband legt den Eltern die Impfung ihres Nachwuchses ans Herz. "Noch immer erkranken zu viele Menschen in Baden-Württemberg an HPV-bedingten Krebserkrankungen", sagt Marion von Wartenberg, die stellvertretende Landeschefin des Krebsverbands. Durch eine Impfung könne viel Leid verhindert werden. "Daher mein Appell an alle Eltern: Lassen Sie Ihre Kinder impfen."
Berufsverband: Impfskepsis hat zugenommen
Nach Einschätzung des Präsidenten des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, ist die HPV-Impfung im Zuge der hohen medialen Aufmerksamkeit rund um die Corona-Impfung zeitweise weniger beachtet worden. "Auch kann ich eine leicht erhöhte Impfskepsis beobachten, ausgelöst durch die vielen Diskussionen um vermeintliche Folgeschäden der Corona-Schutzimpfung", fügt er hinzu.
Wünschenswert sei ein elektronischer Impfausweis mit einer niedrigschwelligen Informations- und Erinnerungsmöglichkeit; zudem müsse die Wirksamkeit der HPV-Impfung im Schulunterricht stärker thematisiert werden.
SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!
Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.
Die Impfung geht auf die Grundlagenforschung des im Mai dieses Jahres gestorbenen Virologen Harald zur Hausen zurück. Dafür bekam der langjährige Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg 2008 den Medizin-Nobelpreis. Immer wieder warb er öffentlich für die Impfung, insbesondere auch der von Jungen als Überträger.