Bei ihrem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Stuttgart sagte die Verteidigerin, der 54 Jahre alte Angeklagte habe sich an jenem Morgen in einer absoluten psychischen Ausnahmesituation befunden. Es sei ihm bei der Abgabe der Schüsse darauf angekommen, ein Eindringen der Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in seine Wohnung zu verhindern und seinen behinderten Sohn zu schützen. Die eingesetzten SEK-Beamten seien weder ahnungslos noch wehrlos gewesen, sondern vorbereitet, so die Anwältin in ihrem Plädoyer. Auch habe ihr Mandant nicht aus Heimtücke gehandelt.
Der Mann habe zudem, so die Verteidigung, von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten in einem vergifteten und radikalisierten, den Staat ablehnenden Umfeld gelebt und aufgrund der Isolation kein Korrektiv mehr gehabt. Außerdem sei ihm der Widerruf des Waffenscheins nicht ordentlich zugestellt worden, so die Anwälte. Die Verteidigung fordert deswegen einen Freispruch. Ein Urteil wird am 15. November erwartet.
Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft
Aus Sicht der Anklage, der Bundesanwaltschaft, ist der mutmaßliche "Reichsbürger" des vierfachen versuchten Mordes schuldig. Deswegen fordert die Bundesanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.
"Jagd auf Polizeibeamte"
Die Bundesanwaltschaft hatte dem Angeklagten in ihrem Plädoyer vorgeworfen, er habe "Jagd auf Polizeibeamte" gemacht. Der heute 56 Jahre alte Mann habe bewusst und zielgerichtet im April vergangenen Jahres mit einem Schnellfeuergewehr auf 14 SEK-Beamte geschossen und zwei zum Teil erheblich verletzt. Es sei lediglich dem Zufall zu verdanken, dass es nicht zu tödlichen Verletzungen gekommen sei, sagte eine Bundesanwältin bei ihrem Plädoyer im streng gesicherten Prozessgebäude des Oberlandesgerichts in Stuttgart-Stammheim.
Prozess gegen mutmaßlichen "Reichsbürger" aus Boxberg-Bobstadt Bundesanwaltschaft wirft Angeklagtem "Jagd auf Polizeibeamte" vor
Die Bundesanwaltschaft hat lebenslange Haft für einen mutmaßlichen "Reichsbürger" aus Boxberg-Bobstadt gefordert. Er soll versucht haben, mehrere Polizisten zu ermorden.
Anklage: Auf SEK-Beamte geschossen
Die Schüsse habe der Angeklagte durch die fast komplett heruntergelassenen Rollläden im Wohn- und im Schlafzimmer abgegeben, so die Anklage. Erst nach zwei Stunden gab er auf. Später entdeckte die Polizei ein großes Waffenlager mit Gewehren und Maschinenpistolen sowie Tausende Schuss Munition. Die SEK-Beamten waren zu dem Mann gekommen, um eine Pistole zu konfiszieren.
Laut Darstellung der Bundesanwaltschaft wollte der Angeklagte verhindern, dass seine Waffen gefunden und sichergestellt werden - und die Polizei von seinem Grundstück fernhalten. Der Angeklagte selbst gab im Prozess an, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er auf Polizeibeamte schieße. Ihn hätten Explosionen, Schüsse und Schreie geweckt, er habe nur seinen kranken Sohn schützen wollen. Dann habe er einen Filmriss gehabt.