Der Geheimniskrämer, das Phantom, der König von Heilbronn. Über die Jahre sind viele Schlagzeilen über Dieter Schwarz entstanden. Persönlich mit ihm gesprochen hat noch kein Medium. Alle Interviewanfragen werden abgelehnt. Die meisten würden ihn noch nicht einmal auf der Straße erkennen. Der Milliardär, der an diesem Dienstag seinen 85. Geburtstag feiert, bleibt im Hintergrund, ist so gut wie unsichtbar. Das SWR Studio Heilbronn hat allerdings mit Menschen gesprochen, die ihn persönlich kennen. Und alle sagen: Die 85 Jahre sieht man Dieter Schwarz überhaupt nicht an.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist dem Heilbronner Unternehmer schon mehrfach persönlich begegnet. Er hat "ganz großen Respekt" davor, dass Dieter Schwarz von Heilbronn und Neckarsulm aus das viertgrößte Handelsunternehmen der Welt aufgebaut hat. Trotzdem sei der 85-Jährige bodenständig geblieben und seiner Region eng verbunden. Mit viel Energie und Weitblick habe er sich hochgearbeitet. "Ich schätze ihn sehr", so der Grünen-Politiker.
Der unsichtbare Milliardär hinterlässt Spuren als Mäzen
Dieter Schwarz ist einer der großen Mäzene für Wissenschaft und Bildung in Deutschland. In diesem Jahr wird seine Dieter Schwarz Stiftung bereits 25 Jahre alt. Was viele nicht wissen: Die Stiftung speist sich direkt aus den Gewinnen der Schwarz Gruppe. Das ist eine sprudelnde Geldquelle, die Projekte erlaubt, von denen andere Städte nur zu träumen wagen. Der Stifter hat zudem seine Unternehmensgruppe testamentarisch auf die Stiftung übertragen, die damit einmal zur Eigentümerin werden wird. An der Spitze der Dieter Schwarz Stiftung steht Geschäftsführer Reinhold Geilsdörfer. Auch er ist sehr sparsam mit Worten, wenn es um den Stifter geht. Es soll um die Projekte gehen, nicht um die Person.
So unsichtbar der Milliardär in der Öffentlichkeit auch ist, so markant sind seine Projekte, die er über seine Stiftung in seiner Heimatstadt verwirklicht. Über Geld wird dabei nie gesprochen, aber es sind in Summe riesige Millionenbeträge, mit denen Heilbronn in großen Schritten zu einer Wissensstadt ausgebaut wird.
Neuester Coup von Dieter Schwarz: Die ETH Zürich kommt und der Ipai entsteht
Ob etwa der Bildungscampus, die Experimenta, die Duale Hochschule (DHBW), die Programmierschule "42", die Campus Founders, die Bildungsakademie "aim", die Josef-Schwarz-Schule - die Projekte sind zahlreich, das Tempo rasant. Das Heilbronner Ortsschild führt seit 2020 den Zusatz "Universitätsstadt". Der Schwarz Stiftung ist es gelungen, die renommierte Technische Universität (TU) München und vor kurzem auch die Spitzenuniversität ETH Zürich mit einer Außenstelle nach Heilbronn zu holen. Durch die Strahlkraft dieser Namen sollen weitere Partner angezogen werden. Ein "einzigartiges Ökosystem" soll entstehen, wie die Verantwortlichen betonen. Der Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung in der Innenstadt ist längst schon wieder zu klein, er wird daher weiter ausgebaut. Die Zahl der Studierenden soll sich hier einmal auf 15.000 verdoppeln. Ende 2023 lag die Zahl bereits bei 7.500.
Mit dem Innovationspark für Künstliche Intelligenz (Ipai), der in Heilbronn ab 2025 auf einer riesigen Fläche von 23 Hektar im Stadtteil Neckargartach und mit einer aufsehenerregenden Architektur entsteht, ist ein Großprojekt auf dem Weg, das internationale Sichtbarkeit bringen soll.
Heilbronner OB: Dieter Schwarz ist "der Visionär der Wissensstadt"
In den vergangenen Jahren kamen immer wieder auch kritische Stimmen auf, die Dieter Schwarz Stiftung bestimme zu sehr die Entwicklung von Heilbronn. Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) kennt diese Positionen. Für ihn fallen alle Entscheidungen in den Gremien, im Gemeinderat - und nicht in der Dieter Schwarz Stiftung, die im höchsten Gebäude auf dem Bildungscampus residiert und von dort oben einen eindrucksvollen Blick auf die Stadt hat.
Dass der Oberbürgermeister einen guten und kurzen Draht zum Mäzen hat, kommt der Stadt zugute. Ohne die vielen Millionen des Ehrenbürgers wäre Heilbronn nicht das, was es heute ist. Das sagen viele Bürgerinnen und Bürger. Beim OB-Wahlkampf 2014 hatte sich der unsichtbare Milliardär sogar aus der Deckung gewagt und sich damals in einer Unterstützerliste öffentlich für Mergel ausgesprochen.
Von der Südfrüchtehandlung zum Handelsriesen: In Heilbronn ging alles los
Aus kleinen Anfängen hat Dieter Schwarz das väterliche Unternehmen in Heilbronn zu einer milliardenschweren Unternehmensgruppe aufgebaut. Sein Vater Josef Schwarz, gelernter Kaufmann, war im Jahr 1930 in die Südfrüchtehandlung A. Lidl & Co. in der Sülmerstraße 54 eingestiegen. Die Abkürzung "A. Lidl" stand für den Kaufmann Anton Lidl aus der Nähe von Stuttgart. Der Lebensmittel-Großhandel firmierte nach dem Einstieg unter dem Namen Lidl & Schwarz KG.
Der junge Dieter Schwarz verbrachte als Schüler ein Jahr als Stipendiat in den USA. Diese Zeit, so ist zu hören, hat ihn nachhaltig geprägt. Dort erlebte er eine Welt ohne Kriegstrümmer, ohne Mangel, voller Konsum und Möglichkeiten. Und er sah dort auch ganz früh neue Einkaufskonzepte.
Statt Studium gab es Lehrjahre
Obwohl der junge Mann eigentlich studieren wollte, absolvierte er eine kaufmännische Lehre beim Vater. Die Wirtschaftswunderjahre beflügelten das Unternehmen, es expandierte. 1960 etwa wurde mit der Handels- und Fruchthof Heilbronn GmbH eines der ersten Cash-and-Carry-Lager in der Bundesrepublik eröffnet. Die Idee: Einzelhändler holen beim Großhändler ihre Waren selbst ab und bezahlen sie sofort vor Ort.
1968 eröffneten Vater und Sohn in Backnang (Rems-Murr-Kreis) den ersten Verbauchermarkt, einen "Handelshof". 1973 folgte der erste Discountmarkt unter dem Namen "Lidl" in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). 1984 ging es mit dem ersten Kaufland in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) los.
Im Alter von 24 Jahren wurde Dieter Schwarz persönlich haftender Gesellschafter, nach dem Tod des Vaters 1977 übernahm er schließlich die alleinige Unternehmensführung und machte die Firma groß.
Schwarz Gruppe: Milliardenumsätze und Hunderttausende Mitarbeiter
Intensiv befasst sich seit Jahren Manfred Stockburger, Chefkorrespondent der Lebensmittelzeitung, mit der Neckarsulmer Schwarz Gruppe. Dass aus den kleinen Heilbronner Anfängen ein Unternehmen mit zuletzt fast 170 Milliarden Euro Umsatz, 575.000 Mitarbeitenden samt 13.900 Filialen in 32 Ländern geworden ist, ist eine "unglaubliche Leistung", so der Fachjournalist. Schwarz habe die Idee, einen Supermarkt anders zu machen, aus den USA mitgebracht. Selbst dort ist Lidl inzwischen mit Filialen präsent. Den Unternehmer zeichne seine Bescheidenheit und seine analytische Stärke gepaart mit der notwendigen Ruhe aus, sagt Stockburger.
Lidl auch in den Negativschlagzeilen
Trotz aller Erfolge sorgte Lidl vor allem in den 2000er Jahren aber auch für einige Negativschlagzeilen, über die bundesweit berichtet wurde. Die Gewerkschaft ver.di veröffentlichte 2004 sogar ein "Schwarzbuch Lidl", eine Sammlung von Negativbeispielen und kritisierte darin eine systematische Verletzung elementarer Arbeitnehmerrechte. Wirbel machte 2008 zudem eine Bespitzelungsaffäre, bei der Lidl Mitarbeitende in Filialen des Unternehmens mit versteckter Kamera überwacht hatte. Von "Stasi-Methoden beim Discounter" war die Rede.
Gewerkschaft spricht von "besseren Zeiten"
Für den ver.di-Landesbezirksleiter von Baden-Württemberg, Martin Gross, hat das Lebenswerk von Dieter Schwarz "zwei Seiten". Er habe viel Respekt vor der unternehmerischen Leistung und dem Engagement für das Gemeinwohl. Man könne dennoch auch Kritik äußern.
Die Schwarz Gruppe halte sich an den Tarifvertrag, das habe sich deutlich verbessert, so Gross. Es seien bessere Zeiten als früher. Wer jedoch im Einzelhandel arbeite, müsse nach wie vor hart arbeiten. Die Schlagzahl dort ist hoch, so der Gewerkschafter. Wenn er mit Dieter Schwarz persönlich sprechen könnte, würde ihn interessieren, welche Bedeutung für den 85-Jährigen der Mensch hat.
Lidl und Kaufland: Unternehmenskultur im Wandel
Dass sich die Unternehmenskultur bei Lidl und Kaufland verändert hat, bestätigt auch Fachjournalist Manfred Stockburger, der viele vertrauliche Kontakte im Unternehmen hat. Die Schwarz Gruppe habe einfach bemerkt, dass sie für die Zukunft die besten Leute brauche. Im Unternehmen werde von den Beschäftigten viel eingefordert, aber die Atmosphäre habe sich "sehr stark [...] zum Positiven" verändert, so der Experte der Lebensmittelzeitung.
Die Schwarz Gruppe ist inzwischen der größte Arbeitgeber in Heilbronn-Franken und investiert hier weiter stark. Aktuell wird etwa in Bad Friedrichshall ein riesiger IT-Campus für gut 5.000 Beschäftigte gebaut. Am Ortsrand von Bad Wimpfen (beide Kreis Heilbronn) steht seit 2021 die riesige Zentrale von Lidl Deutschland.
Vom Oberbürgermeister gibt es ein Geschenk
Wie der "unsichtbare" Milliardär seinen 85. Geburtstag feiert, dazu ist bislang nichts durchgesickert. Eine öffentliche Feier dürfte es jedenfalls nicht geben. Der Oberbürgermeister wird dem Heilbronner Ehrenbürger aber gratulieren. Und es wird ein Geschenk geben, das man "käuflich nicht erwerben" kann, mehr will Harry Mergel aber nicht verraten.
Wer weiß, vielleicht sitzt der drahtige weißhaarige 85-Jährige auch irgendwo in einem Restaurant zum Geburtstagsessen, ganz unaufgeregt und unerkannt. Und womöglich hat Dieter Schwarz sich damit das größte Geschenk selbst gemacht: Auch mit 85 Jahren kann er sich immer noch ganz unauffällig durch Heilbronn bewegen und mit eigenen Augen sehen, wie sich seine Heimatstadt wandelt.