Nach Ansicht der SPD in Baden-Württemberg bekommen Menschen, die von Schäden einer Corona-Impfung betroffen sind, zu wenig Unterstützung. Dass viele Betroffene für eine Behandlung in andere Bundesländer fahren müssen, sei nicht hinnehmbar, so die SPD.
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) müsse gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung dafür sorgen, dass Impfgeschädigte auch in Baden-Württemberg eine angemessene ärztliche Versorgung bekämen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian Wahl, dem SWR.
SPD fordert Spezialambulanzen für Impfgeschädigte
Eine systematische Behandlung der Impfgeschädigten gibt es bisher nur am Uniklinikum in Ulm. Dort müssen aber die allermeisten Anfragen abgelehnt werden, es seien einfach zu viele, heißt es aus der Klinik. Die SPD hält es für nötig, dass Spezialambulanzen ausgewiesen werden. Diese müssten für Betroffene leicht erreichbar und Informationen dazu im Netz auffindbar sein.
Ein Sprecher des Sozialministeriums sagte gegenüber dem SWR, Corona-Impfgeschädigte würden über das Hausärztenetz versorgt. Hausärztinnen und Hausärzte allerdings, so berichten Betroffene, seien damit häufig überfordert. Schätzungen zufolge gibt es in Baden-Württemberg rund 1.700 Menschen, die einen gesundheitlichen Schaden nach einer Corona-Impfung erlitten haben.
Gesundheitsminister fordern mehr Forschung zum Post-Vac-Syndrom
Bei ihrem Treffen am Dienstag haben die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder den Bund aufgefordert, die Forschung zum Thema Post-Vac-Syndrom zu intensivieren und stärker zu fördern. Manfred Lucha (Grüne) sagte auf der Gesundheitsministerkonferenz, dass die Corona-Impfung viele Leben gerettet habe und richtig gewesen sei. Aber:
Zur Stärkung des Impf-Gedankens brauche es Forschung zur Symptomatik, Diagnostik und Behandlung von gesundheitlichen Folgen des Impfens.
Die Ressortchefinnen und -chefs pochen zudem auf eine gesetzliche Regulierung sogenannter Medizinischer Versorgungszentren (MVZ). "Risiken für die Versorgung sehen wir vor allem bei Medizinischen Versorgungszentren, die von Investoren betrieben werden", erklärte Lucha. Es brauche zwar diese Versorgungszentren, weil es dort Anstellungsmöglichkeiten für junge Ärztinnen und Ärzte gebe, die sich nicht mehr alle selbstständig machen wollten. "Aber wenn dort das Kapital das Regiment übernimmt und die unabhängige medizinische Behandlung infrage gestellt ist oder Rosinenpickerei betrieben wird, dann wird es problematisch." Die Ministerinnen und Minister hätten Bayern beauftragt, im Bundesrat eine gemeinsame Initiative zu starten.
Betroffener aus Wüstenrot leidet seit zwei Jahren unter Symptomen
Fragt man Bernd Hartmann aus Wüstenrot (Kreis Heilbronn), der von einem Impfschaden durch die Corona-Impfung betroffen ist, wie es ihm geht, beschreibt er es so: Atemnot, bei Anstrengung kommt Kurzatmigkeit hinzu. Gelenkprobleme, besonders morgens nach dem Aufstehen und nach längerem Sitzen. Muskelschwund, ein Druck im Kopf, "als ob es einem die Schädeldecke lupft". Ein Gefühl wie Fieber - doch das Fieberthermometer zeigt nur 34 Grad an.
Die Symptome gingen zwei Tage nach seiner zweiten Corona-Impfung los, sogar der Notarzt musste kommen. Es begann eine Odyssee, die mittlerweile schon zwei Jahre dauert. Der Verdacht auf Rheuma kam auf, Hartmann musste in eine Reha-Einrichtung. Dort heißt es im Entlassungsbericht, die Symptome seien nur psychosomatisch.
Bernd Hartmann ist mit 54 Jahren eigentlich noch ein Stück von der Rente entfernt, aber an Arbeit ist derzeit nicht zu denken. Früher war er Reisebusfahrer. Er beschreibt sich als Alleinunterhalter, hatte jeden Tag mit Menschen zu tun, hat Schlagzeug gespielt. Doch die Hände und Gelenke machen nicht mehr mit.
Suche nach einem Arzt führt bis nach Marburg
In Baden-Württemberg wurde er auf der Suche nach einem Arzt oder einer Ärztin nicht fündig. Hartmann musste bis nach Marburg in eine Schmerzambulanz reisen, wo er schließlich seine Diagnose bekam: Post-Vac, ein Impfschaden durch die Corona-Impfung.
Viele Ärzte hätten ihm nicht geglaubt oder versucht, eine andere Krankheit zu finden, so Hartmann. Dabei habe er ein paar Monate vor der Impfung die medizinische Untersuchung, die für Reisebusfahrer vorgeschrieben ist, problemlos bestanden.
Erst kurz vor der Impfung habe er sich mit seiner Frau noch darüber unterhalten, wie schnell man in einen Sozialfall rutschen könnte. Jetzt trifft es ihn selbst. Er bekommt knapp 1.500 Euro vom Arbeitsamt. Seit zwei Jahren muss er auf Ersparnisse zurückgreifen, die eigentlich für die Rente gedacht waren.
Vom Land im Stich gelassen?
Auf die Frage, ob er das Gefühl habe, in Baden-Württemberg würde sich gut um ihn gekümmert, kommt als Antwort ein klares "Nein".
Er hat das Gefühl, dass das Land nicht die Verantwortung übernehme. Schon allein dass es nicht "Impfgeschädigter" heiße, sondern "Post-Vac". In Baden-Württemberg habe es für ihn keine Anlaufstelle gegeben. Das wäre auch seine Forderung: medizinisch kompetente Ambulanzen für Personen wie ihn schaffen. Denn selbst wenn man den weiten Weg bis zum Beispiel Marburg auf sich nehme, hätten diese Kliniken lange Wartelisten, so Hartmann. Doch um solche Standorte einzurichten, müsse man sich auch eingestehen, dass es diese Impfschäden gebe.
Die Lebenspläne sahen ganz anders aus
Dabei sahen seine Pläne eigentlich ganz anders aus: In der Einfahrt steht sorgsam abgedeckt der Wohnwagen, den er sich kurz vor der zweiten Impfung angeschafft hat. Auch Hündin Mascha kam erst zwei Tage vor dem Impftermin zu ihm. Ein Glück, wie Hartmann sagt. Die Hundedame hält ihn in Bewegung. Auch wenn ihm selbst das Gehen, und insbesondere die Steigung direkt vor der Haustüre, Schwierigkeiten bereitet.
Bis heute ist Bernd Hartmann nicht an Covid erkrankt, auch seine Frau nicht. Als Apothekerin wird sie regelmäßig getestet, ein positives Ergebnis würde auffallen. Zweimal die Woche bekommt er jetzt Massagen zur Lockerung der Muskeln. Zusätzlich ist er in einer Sportgruppe für Rheumakranke - als einziger mit Impfschaden.
Er betont aber, er sei kein Impfgegner. Gegen andere Krankheiten werde er sich nach wie vor impfen lassen. Aber dieses "in der Luft hängen", das sei das Schwierige. Denn auch nach zwei Jahren wissen er und die Ärzte nicht Bescheid, wie es genau um ihn steht.