Erst vor Kurzem brachte der Autobauer Audi seinen "Leitfaden für gendersensible Sprache" mit der Ankündigung heraus: Man wolle die Unternehmenswerte auch in der Sprache deutlich machen. Das Werk dient als Leitfaden für interne und externe Kommunikation, hieß es damals. Es sei eine Richtlinie und ein Leitfaden als Orientierungshilfe für Mitarbeitende.
Klage beim Landgericht Ingolstadt eingereicht
Nun wird der Leitfaden ein Fall für das bayerische Gerichtswesen, schrieb zuerst die Zeitung "Augsburger Allgemeine". Demnach fühlt sich ein männlicher Mitarbeiter des Volkswagenkonzerns diskriminiert. Dirk Giesen, einer der beiden Anwälte des Klägers, bestätigte dem SWR die Klage. Sie sei erst vor Kurzem beim Landgericht Ingolstadt eingereicht worden. Das Gericht werde Audi die Klage in den nächsten Tagen zukommen lassen.
Mit dieser Klage betrete man "absolutes Neuland", wird der andere Anwalt Burkhard Benecken in der Zeitung zitiert. So konkret habe es dazu noch keine Entscheidung der Justiz gegeben. In dem Leitfaden von Audi wird eine gendergerechte Sprache vorgegeben. Da er nun keine Wahl habe, wie er angesprochen werden möchte, fühle sich der klagende Konzernmitarbeiter diskriminiert.
Audi bittet derweil auf SWR-Anfrage um Verständnis dafür, dass man sich zu laufenden juristischen Vorgängen nicht äußere.
Gender-Gap und neutrale Formulierungen laut Audi-Leitfaden
"Sprache für mehr Vielfalt - Audi gendert", hieß es damals in der Ankündigung des Autobauers, der auch einen Sitz in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) hat. In der Unternehmensrichtlinie ist beispielsweise beschrieben, dass "alle Geschlechter und geschlechtlichen Identitäten gleichwertig und wertschätzend angesprochen werden sollen", so die Mitteilung Anfang März. So sollen unter anderem neutrale Formulierungen wie "Mitarbeitende" benutzt werden. Alternativ sei das Sichtbarmachen mithilfe des sogenannten Gender-Gaps möglich, eine Schreibweise, die die männliche und die weibliche Form mit einem Unterstrich verbindet, zum Beispiel "Mitarbeiter_innen" oder "Audianer_innen".
Gendersensibel zu kommunizieren, sei "Frage des Respekts"
Zum Vorwurf des Klägers schreibt die Augsburger Allgemeine: "Die bei Audi vorgeschriebene Regelung des sogenannten Gender-Gap, der den Wortstamm als Unterstrich mit der weiblichen Endung wie 'Mitarbeiter_in' verbindet, schaffe - 'unter umgekehrten Vorzeichen - neue Ungerechtigkeiten', heißt es in der Klageschrift." "Das Weglassen spezifischer männlicher Endungen" sei nicht von Vorteil, sondern gestalte sich "als fortgesetzte Diskriminierung", argumentieren demnach die Anwälte.
Gendersensibel zu kommunizieren, sei eine "Frage des Respekts und Ausdruck einer Haltung gegen Diskriminierung und für Vielfalt", so die Audi-Personalchefin Sabine Maaßen damals.
Nach eigenen Angaben auf der Homepage vom 10. April unterstützt auch der "Verein Deutsche Sprache (VDS)" den Mitarbeiter der Volkswagen AG bei "seinem Kampf gegen das Gendern". "Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand traut, sich dieser sprachlichen Umweltverschmutzung entgegenzustellen", wird Professor Walter Krämer, Vorsitzender des VDS, dort zitiert.
Umfrage: Mehrheit der Bevölkerung gegen Gendern
Laut einer Infratest-Umfrage aus dem vergangenen Jahr bestehen innerhalb der deutschen Bevölkerung noch immer Vorbehalte gegenüber der Verwendung einer genderneutralen Sprache in der Öffentlichkeit. So sprachen sich in der Befragung 56 Prozent gegen das Gendern aus, darunter auch viele Frauen. Offener zeigen sich jüngere Bürgerinnen und Bürger sowie Personen mit formal höherer Schulbildung, in dieser Gruppe sprach sich jeder Zweite dafür aus.
Klage könnte Konsequenzen für das generische Maskulinum haben
Silke Ruth Laskowski, Jura-Professorin an der Universität Kassel, hält den Fall für richtungsweisend: "Wenn das Gericht entscheiden sollte, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mannes durch die Ansprache in einer Art generischem Femininum verletzt wird, wird das auch Konsequenzen für die Frau haben. Denn wenn sich der Mann gegen das Femininum wehren kann, dann kann sich die Frau auch gegen das generische Maskulinum wehren, denn das generische Femininum hat bereits Eingang in den Online-Duden und den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden." Bislang wird in der deutschen Sprache aber meist das "generische Maskulinum" verwendet – also die männliche Form, wobei Frauen "mitgemeint" sein sollen.
Mit Verweis darauf hatte der Bundesgerichtshof 2018 die Klage einer Sparkassen-Kundin abgewiesen. Die Frau hatte sich gegen die Verwendung der rein männlichen Form "Kunde" auf Formularblättern ihrer Sparkasse gewehrt. Der Bundesgerichtshof argumentierte mit dem "üblichen Sprachgebrauch". Von der grammatisch männlichen Bezeichnung sei jedes Geschlecht umfasst.