Eigentlich begann die Zeit nach der betrieblichen Sommerpause für die Mitarbeitenden im Neckarsulmer Audi-Werk (Kreis Heilbronn) mit einer guten Nachricht: Um den neuen A5 bauen zu können, sollten Sonderschichten und Schichtverlängerungen eingeführt werden, so die Ankündigung der Werksleitung. Der Autokonzern sprach von der größten Anlaufphase der Werksgeschichte. Dann die Nachricht aus Wolfsburg: Der Audi-Mutterkonzern Volkswagen (VW) will sparen und kann deshalb keine Beschäftigungsgarantie mehr geben. Auch Werksschließungen seien nicht mehr ausgeschlossen. Kurzfristig wurde eine Betriebsversammlung anberaumt.
Eigentlich können in Neckarsulm bis zu 300.000 Fahrzeuge jährlich produziert werden. In den vergangenen Jahren kam, einem Artikel der Heilbronner Stimme zufolge, die Stückzahl lediglich auf etwas mehr als 50 Prozent. Zudem sorgten Lieferengpässe für Bauteile der renditestarken Modelle A6, A7 und A8 sowie die schlechte Nachfrage für das Elektroauto e-tron GT für Schichtausfälle. In den kommenden beiden Jahren sollen laut Betriebsrat jeweils über 200.000 Fahrzeuge in Neckarsulm produziert werden.
Neckarsulmer Belegschaft verunsichert
Am Neckarsulmer Audi-Werkstor unter der Belegschaft macht man sich trotzdem Gedanken: "Ja, es wird sich zeigen, in wieweit das Wort, das da vom Arbeitgeber gegeben wurde, ob der das hält." Wieder andere äußern sich zuversichtlicher: "Wenn man sich hier die Auslastung im Werk anschaut, klar, das ist nicht optimal, aber für ein Modellanlauf läuft es doch ganz gut." Doch auch solche Stimmen sind zu hören: "Man hat schon Angst, dass die Garantie ausläuft, ist ja schon ein Stück gewisse Sicherheit."
2019 war der Stammbelegschaft in Neckarsulm eine zehnjährige Beschäftigungsgarantie bis 2029 zugesichert worden.
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Audi-Betriebsräte: Neue Qualität der Auseinandersetzung
Im Neckarsulmer Werk haben die Sparpläne des Mutterkonzerns VW "für viel Unruhe gesorgt", hieß es am Mittwoch vom Betriebsrat des Audi-Werks Neckarsulm. Schon 2019 sei man in "Vorleistung" gegangen. So wurden unter anderem die vorgehaltenen Produktionskapazitäten an den beiden Heimatstandorten Ingolstadt und Neckarsulm um 25 Prozent gedrosselt und Beschäftigungsjahre reduziert. Einige Mitarbeitende erinnern sich noch an die Vergangenheit, als die Zukunft des Werkes auf der Kippe stand, so Rainer Schirmer, der Betriebsratsvorsitzende von Audi in Neckarsulm.
Der Audi-Gesamtbetriebsrat spricht nach Bekanntgabe der VW-Sparplänen von einer "neuen Qualität der Auseinandersetzung". "Wir lehnen diese konfrontative Art ab, scheuen uns aber nicht, die gleiche Gangart zu gehen", heißt es in einer Stellungnahme. Stattdessen erwarteten die Arbeitnehmervertreter vom Vorstand, "dass er seine strategischen und prozessualen Hausaufgaben macht und nicht einfach versucht, Probleme durch einen Angriff auf die Standorte, die Beschäftigten und die Tarifverträge zu lösen." Audi solle selbstbestimmt und handlungsfähig bleiben, so der Gesamtbetriebsrat. Dafür warte man auf innovative Vorschläge des Vorstands.
Audi äußert sich nicht zu den VW-Plänen
Das Unternehmen Audi wollte sich am Dienstag zu VW und dessen Sparplänen nicht äußern. Ein Unternehmenssprecher verwies darauf, dass ab diesem Jahr die Nachfolger der Erfolgsmodelle Audi A4 und A6 anlaufen. "Mit diesen wichtigen Volumenmodellen sind wir gut aufgestellt und in der Lage, flexibel auf die Marktnachfrage zu reagieren", so der Unternehmenssprecher.
Der Automobilhersteller Audi hat Werke in Ingolstadt und Neckarsulm. Seit den 1960er-Jahren gehört Audi zum Volkswagen-Konzern und wird seit den 2000er-Jahren zu den Premiumherstellern gezählt.