Heilbronner Antidiskriminierungsstelle kann Kritik nicht nachvollziehen

"Moralischer Finger": FDP will Antidiskriminierungsstelle Mittel streichen

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Autor/in
Alexander Dambach

Um die Finanzierung der Heilbronner Antidiskriminierungsstelle ist eine Diskussion entbrannt. Die FDP-Fraktion im Gemeinderat möchte die Fördermittel der Stadt streichen.

Soll die Stadt Heilbronn die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle (Adi) weiter mit 10.000 Euro pro Jahr fördern? Die FDP-Fraktion im Heilbronner Gemeinderat möchte diese Unterstützung im Haushalt 2024 komplett streichen. Der Grund: Für die FDP erhebt die Adi den "moralischen Finger" und agiert mit "Belehrung und Umerziehung", so Nico Weinmann, FDP-Fraktionsvorsitzender. Der Stadt- und Kreisjugendring Heilbronn e.V., der Träger der Adi ist, kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Von dem Kürzungsplan der FDP-Fraktion ist Mirjam Sperrfechter, die Geschäftsführerin des Stadt- und Kreisjugendrings, überrascht. Sie wünscht sich einen inhaltlichen Diskurs.

Wir packen nicht absichtlich einen Zeigefinger aus. Bei uns landen Themen, die zum Teil hochemotional sind oder viel diskutiert werden.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende legt Wert darauf, dass es durchaus eine stärkere Sensibilisierung beim Thema Diskriminierung brauche. Aber das Ganze müsse aus seiner Sicht "verhältnismäßig" sein und in einer "vernünftigen Art und Weise" geschehen. Durch den Antrag, die Mittel der Adi zu streichen, will die FDP-Fraktion eine "offene und ehrliche" Diskussion im Gemeinderat anstoßen. Auch die CDU-Fraktion will den städtischen Zuschuss zunächst mit einem Sperrvermerk versehen.

Nico Weinmann, Bundestagsabgeordneter der FDP aus Heilbronn
Nico Weinmann, FDP-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Heilbronn

SPD-Fraktion sieht Arbeit in "Misskredit" gebracht

Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Heilbronner Gemeinderat, Rainer Hinderer, ist es völlig legitim, generell über Ausgaben bei Haushaltsberatungen zu diskutieren. Im Fall der Antidiskriminierungsstelle allerdings geht ihm die Kritik zu weit. Hinderer findet es problematisch, wenn die Stelle in "Misskredit" gezogen wird. Für ihn ist die geforderte Zuschusskürzung der FDP nur ein Vorwand, um eine politische Agenda zu verfolgen.

Es ist Aufgabe der Antidiskriminierungsstelle, den Finger in Wunden zu legen, die von anderen vielleicht zunächst mal gar nicht als Wunden wahrgenommen werden.

Man könne sich auch trefflich streiten, ob mal über das Ziel hinausgeschossen wird oder nicht, so Hinderer. Bestimmte Diskriminierungsformen öffentlich zu machen, passt bei einigen nicht ins politische Konzept, mutmaßt der SPD-Politiker.

Finanzierung aus mehreren Quellen

Die Arbeit der Heilbronner Antidiskriminierungsstelle wird von der Stadt und dem Landkreis mit jeweils 10.000 Euro bezuschusst. 40.000 Euro kommen vom Land. Mit dem Geld werden zwei 40-Prozent-Stellen finanziert. Auch der Stadt- und Kreisjugendring bringt pro Förderjahr 3.000 Euro ein.

Emotionale Diskussion um Faschings-Berliner-Deko

Für großen Wirbel hatte etwa Anfang des Jahres ein Brief der Antidiskriminierungsstelle wegen der Deko eines Faschings-Berliners gesorgt. Das Adi-Schreiben an einen Heilbronner Bäcker war in den sozialen Medien gelandet und dort viel und sehr emotional diskutiert worden. Bei der Adi gingen danach Hassmails ein.

Faschings-Berliner einer Bäckerei in Heilbronn. Dekorationsmaterial zeigte auch Darstellungen Schwarzer und indigener Menschen
Anfang des Jahres sorgten Faschings-Berliner für Diskussionen in Heilbronn.

Die Antidiskriminierungsstelle hatte einen Bäcker gebeten, die Deko seiner Faschings-Berliner zu überdenken, da einige Figuren Schwarze Menschen aus ihrer Sicht herabwürdigend darstellen. Zum Beispiel als halbnackte Wilde. Eine Frau hatte die Auslage gesehen und die Stelle eingeschaltet. 

Dass solche Themen polarisieren, ist der Geschäftsführerin des Stadt- und Kreisjugendrings bewusst. Trotzdem gebe es solche Themen im "breiten Feld der Antidiskriminierungsarbeit". Man könne auch nicht sagen, man schließe solche Themen aus oder befasse sich erst gar nicht damit. Für Mirjam Sperrfechter liegt die Grundlage der Arbeit der Antidiskriminierungsstellen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Unsere Standards kommen von Landesseite, vom Ministerium, von der Landesarbeitsgemeinschaft.

Die Adi versuche, so sensibel wie möglich mit allem umzugehen. Aber es werde nicht ausbleiben, so Sperrfechter, dass die Stelle manchmal Sachen machen müsse, wo jemand Anstoß nehme und sich frage, ob das jetzt sein müsse.

Antidiskriminierungsstelle sieht keine Versäumnisse

Sollte der Gemeinderat den 10.000-Euro-Zuschuss der Stadt tatsächlich kippen, dann stünde die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle wohl auf der Kippe. Denn dann wackelten auch die Landesmittel, so Mirjam Sperrfechter. Für die Geschäftsführerin ist wichtig: Sie steht allen Zuschussgebern sehr gerne Rede und Antwort. Auch der Vorwurf, man weigere sich, Mittel nachzuweisen, stimme einfach nicht.

Wir berichten über unsere inhaltliche Arbeit. Und immer, wenn man uns einlädt, tun wird das mit Freude.

Über den Antrag der FDP-Fraktion wird in Kürze im Heilbronner Gemeinderat am 7. Dezember zuerst nicht-öffentlich im Verwaltungsausschuss diskutiert. Bei der Gemeinderatssitzung am 18. Dezember wird dann über die entsprechenden Anträge entschieden. FDP-Politiker Nico Weinmann wartet jetzt gespannt die Diskussionen ab. Die Stadtverwaltung wird sich im Rahmen der Haushaltsberatungen dann wohl auch zur Sache äußern und wie sie die Zukunft der Antidiskriminierungsstelle sieht.

Heilbronn

Antidiskriminierungsstelle erhält Hassmails Shitstorm nach Rassismus-Kritik an Heilbronner Bäckerei

In einem Brief hatte die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn einen Bäcker gebeten, die Deko seiner Faschings-Berliner zu überdenken. Nun erhalten die Mitarbeiter Hassmails.

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