Zu nass im Frühjahr, anhaltend trocken von Mai bis Juli, dann erneut kräftige Niederschläge mit häufigen Ernteunterunterbrechungen - die diesjährige Ernte in Baden-Württemberg war nach den Worten von Landesbauernpräsident Joachim Rukwied eine echte Zitterpartie. Vor allem starke Niederschläge während der Ernteperiode im Sommer haben nach Angaben des Landesbauernverbands in einigen Regionen deutliche Ertrags- und Qualitätseinbußen geführt. Aber auch Kaufzurückhaltung bei regionalen Produkten macht den Landwirtinnen und Landwirten zu schaffen.
Die Ernte hätte wegen des Regens häufig unterbrochen werden müssen, so Rukwied. Die Folge: Es blieb oft Getreide auf den Feldern stehen, das schon längst hätte eingefahren werden müssen. Vor allem die Qualität litt unter den Ernteunterbrechungen. Teile des Weizens und der Gerste können nicht zum Brotbacken oder Bierbrauen verwendet werden, sondern müssen mit Preisabschlägen als Tierfutter oder notfalls als Bioenergie-Material verkauft werden. "Manches Erntegut, das dieses Jahr für den Teller geplant war, lässt sich nur noch über den Trog zu menschlicher Nahrung verwerten", sagte Rukwied.
Herausforderungen für die Ernte in BW gab es schon im Frühjahr
Erste Probleme traten aber bereits im Frühjahr auf: Wegen der nassen Böden konnte das Getreide vielerorts später als geplant gesät werden. Insbesondere für das Sommergetreide wurde dann die Trockenheit von Mai bis Juli zum Problem. Diese störte die Entwicklung der Pflanzen. Die Ertragsspanne zwischen den Regionen und Getreidearten ist daher sehr groß. "Das Wintergetreide und der Raps sind größtenteils gut durch den Winter und das Frühjahr gekommen", sagte Rukwied.
Gewinner und Verlierer der Getreideernte in BW
In frühen Erntegebieten wie Nordbaden habe es ordentliche Ergebnisse gegeben, in anderen Regionen wie in Hohenlohe erreichten Teile der Weizen- und Gerstenernte dagegen keine Back-Qualität und könnten nur als Viehfutter verwertet werden. Späte Kulturen wie Mais, Zuckerrüben und Soja hätten allerdings von den Niederschlägen im Sommer profitiert. Hier sei eine gute Ernte zu erwarten, so Rukwied.
Er beklagte den Preisdruck für regionale Vermarkterinnen und Vermarkter. Durch die Inflation seien die Umsätze der Hofläden auf das Vor-Corona-Niveau zurückgegangen, gleichzeitig stiegen in den landwirtschaftlichen Betrieben Lohn- und Produktionskosten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher greifen wegen der Inflation weniger zu den teureren Produkten aus der Region. Discounter-Produkte aus anderen Staaten gingen jedoch zulasten der regionalen Erzeugung, die auf diesem Preisniveau nicht produzieren könne, sagte Rukwied.
Rückgang bei den Ernteerträgen in BW
Ohne Körnermais rechnet das Statistische Landesamt in diesem Jahr mit einer Erntemenge von 2,77 Millionen Tonnen. Das ist zwar etwas mehr als im Juli angenommen. Die Menge liegt aber 3,7 Prozent unter der des Vorjahres. Im Vergleich zum sechsjährigen Mittel würde der Rückgang ungefähr drei Prozent betragen. Das zeigen die vorläufigen Ergebnisse der Ernte- und Qualitätsermittlung, die am Freitag veröffentlicht wurden.
Bei der wichtigsten Sorte im Land - dem Winterweizen - rechnen die Statistiker mit einer Erntemenge von 1,56 Millionen Tonnen. Das ist ein Minus von etwa 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Einbußen gibt es auch bei Winter- und Sommergerste, Winterraps, Hafer und Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen. Eine deutlich größere Ernte gibt es beim Roggen: Die Menge stieg um etwa ein Drittel auf rund 55.000 Tonnen.
Herbstkultur könnte eine bessere Ernte bringen
Auch die Statistiker haben mit den Folgen des Regens zu kämpfen: Bei den späten Getreidesorten liegen bisher nur wenige Ergebnisse vor. Ausfälle durch den Regen der vergangenen Wochen schlagen sich daher noch nicht in der Auswertung nieder. Auch größere Korrekturen könnten bis zum Abschluss der Erhebung nicht ausgeschlossen werden.
Bessere Nachrichten gibt es aus Sicht der Bauern für späte Sorten wie Mais, Zuckerrüben und Soja sowie das Grünland. Sie profitieren laut Rukwied enorm vom Regen der vergangenen Wochen. "Bei den Herbstkulturen erwarten wir aktuell eine gute Ernte", sagte der Bauernpräsident, dessen Verband in Baden-Württemberg rund 33.000 Landwirtinnen und Landwirte vertritt.
Auch für den hochwertigen Brotweizen sind die Preise zuletzt eingebrochen und belasten die Bilanzen der Bauern: Für die Tonne Brotweizen gibt es nach Rukwieds Angaben aus dieser Woche 220 bis 230 Euro - vor einem Jahr waren es 310 bis 350 Euro. Zugleich hätten viele Höfe mit gestiegenen Produktionskosten zu kämpfen.