Etwa sechs Jahre nachdem Schülerinnen und Schüler mit "Fridays for Future" in vielen Ländern erstmals für mehr Klimaschutz auf die Straße gegangen sind, hat sich viel getan. Die Bewegung hat sich verändert, auch am Bodensee und in Oberschwaben.
Weniger Teilnehmende an Demonstrationen
Früher seien mehr Schüler zu den Demonstrationen gekommen, jetzt seien es eher Studierende, so Niklas Becker von Fridays for Future in Konstanz. Die Demonstrationen von Fridays for Future in Konstanz hatten 2019 dazu geführt, dass Konstanz als erste Kommune in Deutschland den Klimanotstand erklärt hatte. Jetzt sagt Becker, dass das Interesse stark abgenommen habe. Viele Aktivisten seien frustriert, sie sähen kaum Fortschritte im Klimaschutz.
Protestformen haben sich verändert
Anders als in der Uni-Stadt Konstanz gebe es manche Ortsgruppen in kleineren Kommunen wie Radolfzell, aber auch in Singen (beide Kreis Konstanz) gar nicht mehr, so Becker. Ähnliche Veränderungen nimmt auch Manuel Oestringer wahr, der ebenfalls für Fridays for Future in Konstanz aktiv ist. So habe sich die Art des Protestes etwas geändert. Standen eher Demonstrationen für globale Klimaziele zu Beginn im Vordergrund, seien es jetzt oft lokale Projekte, bei denen man Präsenz zeige. In Konstanz gab es zudem mehr als Jahr ein Klimacamp vor dem Münster. Das sei ein cooles Projekt gewesen, das einige Klimagruppen zusammengebracht habe, es habe aber auch extrem viel Zeit gekostet, so Oestringer.
In Friedrichshafen hat die Beteiligung auch abgenommen, sagt Lilian Roller, die bereits fast seit dem Anfang der Bewegung bei Fridays for Future ist. Seien vor fünf Jahren noch um die 2.000 Menschen zu Demonstrationen gekommen, seien es jetzt noch 50 bis 70 Teilnehmende. Am Freitag habe der Friedrichshafener Ortsverband von Fridays for Future keine eigene Aktion geplant, sondern sich mit der Gruppe in Ravensburg zusammengetan.
Fridays for Future in Biberach neu gegründet
Die Ortsgruppe von Fridays for Future in Biberach hat sogar ein halbes bis ganzes Jahr gar nicht mehr existiert und wurde dann neu gegründet, sagt Carolin Schäfer. Ursprünglich sei die Gruppe von Schülerinnen und Schülern getragen worden, von denen viele später für ein Studium weggezogen seien. Zudem "gab es durch Corona einen Cut", sagt Schäfer. Dann habe es viele andere Themen gegeben, die für die Schüler mehr im Vordergrund gestanden hätten. Nach der Wiedergründung seien nun weniger Schülerinnen und Schüler, sondern mehr Erwachsene, Berufstätige und Studierende, in der Ortsgruppe in Biberach aktiv.
Fridays for Future im Wandel
Gestartet wurde die Klimabewegung 2018 auf Initiative der Schwedin Greta Thunberg, die die Klimaproteste auf globale Ebene hob. Vor fünf Jahren, am 20. September 2019, erreichten die Demonstrationen ihren ersten Höhepunkt in Deutschland. 1,4 Millionen Menschen gingen bundesweit für mehr Klimaschutz auf die Straße.
Seit 2019 verzeichnete Fridays for Future enormen Zulauf unter Schülerinnen und Schülern und anderen jungen Menschen. Die Corona-Pandemie führte dann jedoch zu einem Rücklauf in der Bewegung. Dennoch habe sie trotz Krisen eine Möglichkeit gefunden, sich erneut in der Gesellschaft zu formatieren, so der Soziologe Vincent August von der Humboldt-Universität in Berlin. Fridays for Future sei ein Akteur der Mitte, der auf die Repräsentationen in Gremien und institutionelle Konfliktführung beispielsweise durch Gerichtsverfahren baue. Zu Beginn habe die Bewegung auf einer "alles überrollenden Protestwelle gesurft", nun sei sie eher auf "ruhigeren Segelbooten" unterwegs. So wirke die Bewegung nun professioneller und strategisch vielfältig.
Unter anderem in Tübingen, Konstanz und Mannheim Fridays for Future: Tausende Demonstranten beim "Globalen Klimastreik" in Baden-Württemberg
Für Freitag hatte die Klimabewegung Fridays for Future zum "Globalen Klimastreik" aufgerufen. Auch in BW kamen Tausende Demonstrierende in den Städten zusammen.
Neue Klimaschutz-Gruppen arbeiten mit anderen Mitteln
Neben Fridays for Future gibt es mittlerweile einige andere Gruppen, die sich für Klimaschutz engagieren, allerdings auf eine andere Art. Zum Beispiel die Letzte Generation, deren Mitglieder sich auf Straßen festgeklebt haben. Oder im Raum Ravensburg die Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die mit dem Klimacamp im Altdorfer Wald und weiteren öffentlichkeitswirksamen Aktionen auch schon in Konflikt mit dem Gesetz kamen. Samuel Bosch, eines der bekanntesten Gesichter der Klimaaktivisten, musste Anfang des Jahres wegen einer Aktion sogar ins Gefängnis. Er hat selbst bei Fridays for Future angefangen. Es sagt, die Bewegung sei sehr wichtig gewesen. Sie habe die Klimakrise wieder in die Köpfe der Menschen gebracht. Doch um die Menschen zum Nachdenken zu bringen, brauche es radikalere Formen.
Lilian Roller von Fridays for Future in Friedrichshafen stellt klar, alle Demonstrationen der Bewegung würden angemeldet. Illegale Aktionen liefen nicht im Namen von Fridays for Future. Niklas Becker aus Konstanz sagt, die Demonstrationen von Fridays for Future seien offen für alle. Da könne sich eine 80-jährige Oma genauso gut beteiligen wie eine Mutter mit Kleinkind. Illegale Aktionen wie die der Letzten Generation könnten dem Kampf für besseren Klimaschutz sogar schaden.
Vom Straßenprotest in die Kommunalpolitik
Mittlerweile habe aber wohl auch bei der letzten Generation ein Umdenken stattgefunden. Die Bewegung hatte vor einigen Monaten angekündigt, auf Klebeaktionen zu verzichten. Auch Becker hat sich umorientiert. Von dem Protest auf der Straße ist er in die Kommunalpolitik gewechselt. Bei der Kommunalwahl im Juni ist er für die Freie Grüne Liste in den Konstanzer Gemeinderat gewählt worden. Vorher hat er etwa zwei Jahre Lobbyarbeit für Fridays for Future in Konstanz gemacht und auf Mitglieder des Gemeinderats eingewirkt, mehr fürs Klima zu tun.
Wetterexperte warnt vor Extremwetter-Ereignissen in der Region
Laut Wetterexperte Roland Roth ist der Klimawandel in der Bodenseeregion statistisch klar belegbar. Die letzten 25 Sommer seien heißer gewesen als noch vor 60 bis 80 Jahren. Roth hatte am Freitag auch einen Auftritt bei der Demonstration von Fridays for Future in Biberach.
Im SWR-Interview hat Roland Roth über die Auswirkungen des Klimawandels gesprochen
Die gestiegenen Temperaturen machten sich in der Tier- und Pflanzenwelt bemerkbar. Zum Beispiel durch die rasante Verbreitung der Quagga-Muschel im Bodensee, aber auch durch das Aussterben der Fichte. Außerdem häuften sich Extremwetterereignisse wie zum Beispiel die jüngsten Hochwasser, so Roth. Und im Jahr 2016 habe es nach einem Unwetter im Kreis Biberach Schäden in Millionenhöhe geben.