Flüchtlinge gehen zur Landeserstaufnahmestelle

Mehr Geflüchtete in Region Bodensee-Oberschwaben

Auch ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingsarbeit unter Druck

Stand
Autor/in
Rebecca Lüer
SWR-Redakteurin und Studioleiterin Rebecca Lüer Autorin Bild

Die steigende Zahl der Geflüchteten stellt nicht nur Behörden, sondern auch ehrenamtliche Helfer der Region Bodensee-Oberschwaben vor große Herausforderungen.

Die vielen Geflüchteten, die derzeit auch in die Region Bodensee-Oberschwaben kommen, stellen nicht nur die Verwaltungen der Landkreise und Kommunen vor große Herausforderungen, sondern auch viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Thomas Fettback, der frühere Oberbürgermeister von Biberach (SPD), ist seit Jahren selbst ehrenamtlich engagiert, um Geflüchtete bei der Integration in die Gesellschaft zu unterstützen.

Im Gespräch mit SWR-Reporterin Rebecca Lüer hat Thomas Fettback beschrieben, wie sich die steigende Zahl an Geflüchteten auf die Arbeit von ihm und anderen Ehrenamtlichen auswirkt:

Überlastete Behörden bitten Ehrenamtliche immer häufiger um Unterstützung

Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer merken immer stärker, dass die Behörden bei der Betreuung der Geflüchteten überlast sind, schildert Thomas Fettback. Alle behördlichen Angelegenheiten dauerten länger, das steigere nicht gerade die Stimmung bei Helfern und Flüchtlingen. Man komme immer mehr an Grenzen, wenn es um behördliche Angelegenheiten gehe. Zudem verwiesen Behörden immer häufiger an Ehrenamtliche, wenn es um die Organisation des Alltags in Deutschland gehe. Thomas Fettback nennt als Beispiel die Suche nach einem Kindergartenplatz für den Nachwuchs von Geflüchteten, der heutzutage online beantragt werden müsse. Da heiße es dann vom Amt, dies könnten ja die Ehrenamtlichen erledigen.

Ehrenamtliche Unterstützung bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsplätzen

Noch mehr als in früheren Zeiten sei die ehrenamtliche Unterstützung gefragt, wenn es um die Suche nach einer Wohnung, einem Ausbildungs- oder gar Studienplatz oder nach einem Job gehe. Die Menschen auf diesem Weg zu begleiten, beim Schreiben von Bewerbungen, beim Erlernen der deutschen Sprache, das mache die Arbeit der Ehrenamtlichen aus. Thomas Fettback und seine Mitstreiter unterstützen dabei mit ihren Initiativen "1:1 Mensch zu Mensch" und "PAPIER.frieden" in Biberach nicht nur Menschen mit, sondern auch ohne Migrationshintergrund. Dafür wurde er jüngst mit der Heimatmedaille des Landes Baden-Württemberg geehrt.

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Hohe Flüchtlingszahlen lassen Unmut in der Bevölkerung wachsen

Bei Bürgerinnen und Bürgern werde mit steigenden Flüchtlingszahlen der Unmut größer, beobachtet Thomas Fettback. Früher sei die Anerkennung in der Bevölkerung für die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer in der Flüchtlingsarbeit größer gewesen, jetzt gebe es mehr Kritik. Die große Gefahr sieht er darin, dass sich immer mehr Menschen vom Staat und den Behörden abwenden, weil die nicht mehr hinterherkämen. Doch nach wie vor erfahre er viel Unterstützung, etwa durch regelmäßige Spenden für seine Initiativen.

Kein Verständnis für Krawalle bei Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart

Auf die jüngsten Krawalle bei einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart angesprochen, bei der Gegendemonstranten mit der Polizei aneinandergerieten und mehrere Menschen verletzt wurden, sagt Thomas Fettback, hier seien sich Geflüchtete und Ehrenamtliche in Biberach einig: Man könne keine Konflikte, die in den Heimatländern brutal eskalierten, auch hier in Deutschland eskalieren lassen. Damit hätte man sich einen Bärendienst erwiesen. Natürlich kämen auch Menschen nach Deutschland, die nicht zu uns kommen sollten. Aber das sei ein verschwindend geringer Anteil. Die allermeisten Geflüchteten wollten sich integrieren, sagt Thomas Fettback, und diese seien für unsere Gesellschaft wertvoll, da sie auch Jobs übernähmen, die andere nicht mehr machen wollten.

Landkreise in Bodensee-Oberschwaben an Belastungsgrenze

Kreisverwaltungen sehen sich nach eigenen Angaben kaum noch in der Lage, die Menschen unterzubringen, wie eine SWR-Anfrage ergab. Fast 700 Geflüchtete müssen die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Biberach allein im September aufnehmen. In Aulendorf muss der Landkreis Ravensburg deswegen eine Containerunterkunft früher als geplant belegen. Die Belastung in den Kreisen, Städten und Gemeinden wird immer größer. Es fehlt Personal, die Menschen zu betreuen. Vor allem aber gibt es zu wenig Wohnraum, um sie unterzubringen. Im Landratsamt des Bodenseekreises warnt ein Sprecher: "Die menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Betreuung ist nur noch im unteren Grenzbereich möglich." Die Kreisverwaltungen erwarteten zeitnah keine Entspannung. Auch Hallenbelegungen und damit verbundene Einschnitte im Sportunterricht seien deswegen nicht mehr auszuschließen.

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