Nach dem mutmaßlichen Suizid einer Friedrichshafener Klinikärztin Anfang des Monats läuft die Aufarbeitung. Die Ärztin hatte vor ihrem Tod schwere Anschuldigungen gegen einen Chefarzt des Medizin Campus Bodensee (MCB) erhoben. SWR-Informationen zufolge beschäftigte sich am Mittwochnachmittag der Aufsichtsrat der Klinik mit den Vorwürfen. Zuerst berichteten die "Schwäbische Zeitung" und der "Südkurier" über die Vorwürfe der Ärztin.
Vorwurf: Patienten seien nach verheimlichten Komplikationen gestorben
Die Oberärztin hatte vor ihrem Tod einem Chefarzt unter anderem vorgeworfen, Komplikationen bei der Behandlung von Patienten verheimlicht zu haben. Patienten seien sogar gestorben, sagte ihr Anwalt gegenüber dem SWR. Der Chefarzt habe auch nicht auf ihre Kritik reagiert, dass auf der Intensivstation überforderte Assistenzärztinnen und -ärzte im Einsatz gewesen seien.
Weil sie die Missstände angeprangert habe, sei sie gemobbt worden. Der Anwalt fordert eine lückenlose Aufklärung. Seine Mandantin sei schockiert über die Zustände und frustriert gewesen. Sie habe mit ihrem Tod verhindern wollen, dass die Missstände unter den Teppich gekehrt würden. Bei ihm hätten sich viele Beschäftigte des Klinikums gemeldet, die die Vorwürfe der Ärztin bestätigten.
Auch ein externer Gutachter prüfte die Vorwürfe. Über den Inhalt gibt der MCB keine Auskunft. Der Anwalt der Oberärztin nannte das Gutachten gegenüber dem SWR einen "Witz". Der Verfasser des Gutachtens und der beschuldigte Chefarzt würden sich kennen und hätten bereits gemeinsam Publikationen geschrieben.
Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft ermitteln zu den Vorwürfen
Das Polizeipräsidium Ravensburg bestätigte, dass die Kriminalpolizei Friedrichshafen ermittelt, ob gegen Gesetze verstoßen wurde. Es sei eigens eine Ermittlungsgruppe zusammengestellt worden. Die Ergebnisse stehen noch aus. Auch die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat Vorermittlungen eingeleitet. Es werde geprüft, ob es Anhaltspunkte für das Vorliegen strafbarer Handlungen gibt.
Der Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikverbunds, zeigte sich über den Tod der Ärztin bestürzt und forderte in einem schriftlichen Statement, "dass die Umstände geklärt und die im Raum stehenden Vorwürfe umfassend aufgearbeitet" werden.
Der Medizin Campus Bodensee wollte sich gegenüber dem SWR aufgrund der Aufsichtsratssitzung nicht zu den Vorwürfen äußern.