Der ranghöchste Polizist des Landes Baden-Württemberg, Andreas R., steht vor Gericht, weil er im November 2021 eine damals 32 Jahre alte Polizistin vor einer Kneipe sexuell genötigt haben soll. Kurz vorher saßen die beiden mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz bei Sekt zusammen. Die Zeugenbefragung am Dienstag brachte brisante Details ans Licht.
Polizeidirektorin habe keine anzüglichen Sprüche bemerkt
Hinz erzählt, sie habe an dem Tag, an dem der fragliche Vorfall passiert sein soll, zuvor mit dem Inspekteur und der betroffenen Frau während eines Mitarbeitergesprächs Sekt getrunken. Die Polizeidirektorin habe zu dem Zeitpunkt weder "alkoholbedingte Ausfallerscheinungen" noch anzügliche Sprüche wahrgenommen - sei aber früher als die anderen nach Hause gegangen.
Polizeibeamter: "Sie saßen recht nah beieinander"
Ein Polizeibeamter aus Laichingen (Alb-Donau-Kreis) berichtet, dass er mit dem Inspekteur und der jungen Polizistin noch in eine Bar weiter gezogen sei. Dort habe die Polizistin Andreas R. von ihren misslungenen Beziehungen erzählt, und dass sie immer an falsche Männer gerate. Er habe gesagt, dass er sich das gar nicht vorstellen könne - sie sei doch attraktiv. "Sie saßen recht nah beieinander, ich habe das als irritierend empfunden", so der Zeuge. Als er nach Hause ging, seien Inspekteur und Kommissarin zu zweit weiter nach Bad Cannstatt gezogen.
Bedienung berichtet von Küssen und Umarmungen in der Bar
Die 43-jährige Bedienung erzählt, dass sie Andreas R. kenne. Er sei Stammgast in der Eckkneipe. In besagter Nacht habe sie der Polizistin Rum-Cola und ihm ein Weizen gebracht - "wie immer", erzählt sie. Die beiden hätten sich unterhalten, umarmt, geküsst, so die Bedienung. "Ich hatte zu keiner Zeit den Eindruck, dass das nicht freiwillig ist." Die Bedienung berichtet auch von drei weiteren Damen, die den Inspekteur in die Kneipe begleitet hätten. Auch mit ihnen habe er Zärtlichkeiten ausgetauscht.
Schließlich seien Polizistin und der Angeklagte für knapp fünf Minuten vor die Tür gegangen - und hier soll die sexuelle Nötigung geschehen sein, die allerdings keine Kamera aufgezeichnet hatte. Die Polizistin, so räumten beide vor Gericht ein, hatte das Glied des Inspekteurs in der Hand, während er urinierte. Ob das von ihr ausging oder er sie dazu gedrängt hat, darüber muss das Gericht entscheiden. Hier steht Aussage gegen Aussage.
Die Bedienung sagte aus, sie habe den beiden in der Folge ein Taxi gerufen. Der Taxifahrer berichtet, dass sich die Polizistin nach einer Sitzheizung erkundigt und vorne Platz genommen habe. Andreas R. sei hinten im Fahrzeug gesessen. Schließlich hätten sie sich verabschiedet und er habe die Polizistin alleine nach Hause gefahren. Sie habe weder schlecht gelaunt gewirkt noch sehr betrunken, so der Taxifahrer.
Polizistin habe bei Vernehmung viel geweint
Als nächster sagte der Ermittler aus, der die Polizistin zweieinhalb Wochen nach der Kneipennacht vernommen hatte. "Sie hat sehr viel geweint", erzählt der Sachbearbeiter. "Es war ihr anzumerken, dass sie das sehr mitnimmt." Es sei ihr sogar schwer gefallen, bei der Vernehmung den Namen des Inspekteurs zu nennen, sie habe immer nur "er" gesagt.
Inspekteur habe auch mit einer anderen Kollegin angebandelt
Als die Polizeipräsidentin den Inspekteur mit den Vorwürfen konfrontiert, habe er fassungslos und schockiert reagiert, berichtet Hinz am Dienstag. Das könne sie doch nicht machen, soll er gesagt haben. Er habe aber auch gegenüber der Polizeipräsidentin durchblicken lassen, dass der Kneipenabend mit der Polizistin "zu wild, zu nah" gewesen sei.
Der Inspekteur habe sie gebeten, von einem Verbot der Dienstgeschäfte abzusehen, weil dann seine Karriere beendet sei. Er habe darauf gedrängt, stattdessen zunächst Urlaubstage und Überstunden nehmen zu dürfen - ohne Erfolg. Man habe ihm seine Dienstwaffe abgenommen.
Auch eine Verwaltungsbeamtin des Innenministeriums berichtete laut Zeugen von sexuell unangemessenen Bemerkungen. Der Inspekteur habe ihr deutlich gemacht, dass er mit ihr Sex haben wolle - und seine Ehe dem nicht entgegenstehe.
Diskussion um aufgezeichnetes Telefonat als Beweismittel
Am Freitag sollen weitere Zeugen vernommen werden - und erneut die Anzeigenerstatterin, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es geht auch um ein von der Polizistin heimlich aufgezeichnetes Telefonat mit dem Inspekteur und die Frage, ob es als Beweismittel im Verfahren abgespielt werden darf. Die Verteidigerin des Inspekteurs pocht hingegen auf ein sogenanntes Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. Die Polizistin habe sich mit dem Mitschnitt strafbar gemacht.