"Diesen Ort nur 20 Minuten von Stuttgart musst du kennen", ertönt Lana Hessenauers Stimme, sobald das Instagram-Reel startet. Im Bild ist ihre kleine Tochter zu sehen, wie sie begeistert die bunten Spielzeuge in der Location testet, die ihre Mutter im Reel empfiehlt.
Lana Hessenauer aus Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) ist Influencerin. Auf ihrem Instagram-Kanal empfiehlt sie ihren knapp 40.000 Followern Ausflugtipps für Familien. Auch ihre Kinder sind in den Reels und in der Story zu sehen - und damit ist sie nicht allein. Viele Influencerinnen und Influencer aus Baden-Württemberg zeigen ihren Familienalltag und ihre Kinder auf ihren Social Media-Kanälen.
Spezielle Regelungen in Amerika und Frankreich
In anderen Ländern gibt es für Kinder auf Social Media bereits Gesetze: Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom hat Ende September zwei Gesetze unterzeichnet, die sicherstellen sollen, dass Kindern in Online-Content vor finanziellem Missbrauch geschützt sind. Im US-Bundesstaat Illinois und in Frankreich gibt es ähnliche Gesetze. In Deutschland und damit in Baden-Württemberg dagegen noch nicht. "Trotzdem haben Kinder natürlich Rechte", sagt Karolin Sannwald, Rechtsanwältin für Medienrecht aus Hamburg. Die würden aber oft missachtet.
Gesetze für Kinder: Das gilt in Deutschland und BW
Als rechtliche Grundlage gibt es das Jugendarbeitsschutzgesetz, das für Kinder und Jugendliche gilt. Als Kind gilt dabei, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Rechtsanwältin Sannwald erklärt: Kinder dürfen in Deutschland grundsätzlich nicht arbeiten. Man kann aber Ausnahmen beantragen, zum Beispiel für Werbeveranstaltungen - darunter fällt laut Sannwald auch grob das Influencer-Marketing.
Die Regelungen sind je nach Alter der Kinder und Jugendlichen angepasst und setzen bei Kindern ab drei Jahren an. Im Influencer-Bereich werden aber oft schon Babys und Kleinkinder unter drei Jahren gezeigt.
Wie machen es Familien-Influencerinnen aus BW?
Auf dem Instagramkanal @lanis_trips von Lana Hessenauer sind die Kinder auf manchen Beiträgen zu sehen - mit Gesicht. Darüber habe sie sich mit ihrer Familie viele Gedanken gemacht, erzählt die Influencerin. Die Kinder stünden auf ihrem Kanal nicht im Fokus, sondern seien ein Teil des Familienlebens und der Ausflugstipps, die die Bloggerin hauptsächlich teile. Wenn die Vierfach-Mama bei Ausflügen der Familie nebenbei filmt und es passiere, dass ihre Kinder darauf zu sehen sind, sei das für sie und die Familie in Ordnung. Sie achte aber darauf, möglichst von hinten oder der Seite zu filmen. "Das was ich als privat sehe, bleibt dann bei uns."
Hessenauer erzählt, dass ihre beiden älteren Kinder, elf und sechs Jahre alt, selbst entscheiden dürften, ob sie auf Videoaufnahmen zu sehen sind. Die Kleinen, beide knapp fünf Jahre alt, sind auf dem Instagram-Kanal immer wieder zu sehen, beispielsweise beim Spielen an den gemeinsamen Ausflugszielen. "Klar, da entscheide ich auf welchen Bildern die sind." Es sei aber ein schwieriges Thema, gesteht Lana Hessenauer. Es gebe viele Themen bei denen Eltern für die Kinder entscheiden müssten. Man versuche, das richtige für seine Kinder zu tun, aber "man weiß es eben in dem Moment nicht, solange das Kind nicht selbst entscheiden kann."
Ein No-Go für Lana Hessenauer: "Sobald ich an meinen Kindern drehen und biegen muss, dass was zustande kommt." Das Verhalten nach einer Art "Drehbuch" für Social Media gehe für sie gar nicht. "Aber wenn es was Entspanntes ist, wenn man einfach frei filmen kann, dann finde ich das in Ordnung."
Arbeitszeiten auf Social Media zu definieren ist wichtig
Rechtsanwältin Karolin Sannwald meint, dass es nötig sei, Arbeit auch im Influencer-Bereich genau als solche zu definieren, zumindest wenn Kinder im Spiel sind. "Auch für Kinder ist es unerträglich, permanent mit der Kamera verfolgt zu werden“, sagt sie. Sannwald meint, dass man zum Schutz von Kindern das Arbeitsschutzgesetz genauso auf den Social Media-Bereich anwenden könne.
Sie räumt ein, dass es schwierig sei, per Gesetz zu definieren, wo Arbeit anfange und aufhöre. Bei einer klassischen Werbeveranstaltung, für die diese Ausnahmen aus dem Jugendarbeitsschutzgesetz ursprünglich geschaffen wurden, sei das einfacher zu kontrollieren gewesen.
Privatsphäre fängt früher an, als man denkt
Ihr Vorschlag daher: "Ganz klare Verbote setzen und sagen: Kinder dürfen, solange sie nicht in der Lage sind, mitzuentscheiden, nicht in Situationen, die kompromittierend sind oder die ihre Intim- oder Privatsphäre betreffen, gezeigt werden.“ Zum einen beschreibt Sannwald Szenen, in der Kinder in bloßstellenden Situationen gezeigt werden, beispielsweise bei einem Wutanfall. Zum anderen könne es aber auch schon ein Problem sein, wenn das Kind in privaten Räumen gefilmt werde.
Influencerin: Möglichst wenig Privatleben auf Instagram
Die Privatsphäre ihrer Kinder zu wahren, ist Jessica Lichner aus Großbettlingen (Kreis Esslingen) sehr wichtig. Sie teilt auf ihrem Kanal @wunderkunft ebenfalls vor allem Ausflugstipps für Familien mit ihren knapp 30.000 Followern. Ihre Kinder sind hin und wieder in ihren Beiträgen und Storys zu sehen - allerdings ohne Gesicht. Auch die Namen nennt sie nicht - "einfach zum Schutz", sagt sie.
Kooperationen müssen immer zur Familie passen
Wenn die Bloggerin Content für Social Media kreiert, spreche sie mit ihren Kindern darüber, worauf sie Lust hätten und worauf nicht. Außerdem müssen Kooperationen "hundert Prozent zu mir passen, zu uns passen.“ Da spiele dann auch das Geld eine untergeordnete Rolle. "Aber um fair zu sein, mache ich das ja auch nur nebenberuflich und muss nicht davon leben."
Sie hält Regelungen für mehr Jugendschutz im Onlinebereich für sinnvoll. "Ich finde es sollte eine Regelung geben, dass man sein Kind nicht zeigen darf oder in welcher Situation […]. Das ist ja auch ein Menschenrecht, die Privatsphäre."
Persönlichkeitsrecht über Entscheidungsrecht
Das Persönlichkeitsrecht der Kinder gehe über das Entscheidungsrecht der Eltern, sagt Medienrechtsanwältin Sannwald. Häufig sei für Eltern nicht immer abzusehen, was mit Inhalten von ihren Kindern passiert, die möglicherweise die Privat- und Intimsphäre verletzen. Vor allem in Zeiten von KI, Cybermobbing und auch Kinderpornografie im Netz.