Nicht nur für Bahnreisende kann es ziemlich unangenehm werden, wenn kleine oder große Geschäfte auf längeren Fahrten nicht erledigt werden können, weil der Gang zur Toilette unterwegs unmöglich ist. Auch für die Bahnunternehmen ist der Zustand ihrer Zugtoiletten ein stetiger Problemfall - und Grund für Ärger.
Bahnfahrende berichten von "schrecklichen Zuständen"
Anonyme Berichte von Bahnfahrenden bestätigen dem SWR diese Wahrnehmung. Eine Zuschrift beschreibt etwa eine Fahrt mit "widerlichem Gestank nach Fäkalien aus der WC-Anlage". "In Kombination mit den häufig überfüllten Fahrzeugen macht dies das Reisen zu einer sehr unangenehmen bis Übelkeit erregenden Erfahrung." Eine andere Leserin berichtet von "furchtbaren Zuständen":
Weitere Erfahrungsberichte, die dem SWR vorliegen, zeichnen ein ebenso wenig erfreuliches Bild. Inzwischen sind die Klagen auch ein Thema für die Landes- und die Bundespolitik. So bemängelt zum Beispiel das baden-württembergische Verkehrsministerium eine "desolate Sauberkeit in Toiletten", die Checklisten der Qualitätsprüfer stellen den Anbietern zudem alles andere als ein gutes Zeugnis aus. Nur eine von 30 Regionalbahn-Strecken habe im vergangenen Jahr den Zielwert von 98 Prozent bei Schadensfreiheit und Verfügbarkeit der Toiletten erreicht. Besonders schlecht schnitten die Züge auf der Rheintalstrecke und in der Region Franken-Enz ab. Mehrere Verkehrsunternehmen seien jetzt zur Rede gestellt worden, teilt das Landesverkehrsministerium auf die SPD-Anfrage mit.
Die Bahn: Ursache liegt in Unterfinanzierung
Laut Ministerium liegt der Fehler in vielen Fällen nicht beim regionalen Betreiber. Vielmehr fehle es an Einrichtungen, um die Toiletten zu entleeren. Außerdem sei die Versorgung mit Frischwasser stellenweise unbefriedigend, da die Anlagen überaltert und oftmals nicht funktionsfähig seien. Auf Nachfrage bedauert ein Bahnsprecher die Einschränkungen und macht die "anhaltende Unterfinanzierung der Infrastruktur" dafür verantwortlich. Zudem seien die Anlagen störungsanfällig und würden "immer mal wieder von den Lokführern falsch bedient" und fielen dann aus, so der Bahnsprecher.
Mehr Störungen trotz neuer Anlagen
Eigentlich hat die Bahn das Netz ihrer Entsorgungsanlagen auf den Strecken, wo die Toiletten entleert werden können, in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut: Gab es 2018 noch 293 Stück, so hat sich ihre Zahl bis zum vergangenen Jahr auf 600 mehr als verdoppelt. Im selben Zeitraum ist allerdings auch die Zahl der Störungen explodiert von 136 auf 627. Im Durchschnitt war eine Anlage vor sechs Jahren noch 17 Tage im Jahr nicht zu gebrauchen, im vergangenen Jahr waren es laut Deutsche Bahn 2,5 Tage.
Laut Ministerium werden die meisten Einrichtungen vom neu gegründeten Bahn-Tochterunternehmen DB InfraGo betrieben und gegen Entgelt von den verschiedenen Betreibern genutzt. Mit der DB InfraGo hat das Land allerdings kein Vertragsverhältnis. Dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel reicht das nicht. Kunden müssten besser informiert werden: "Es braucht ein verlässliches Auskunftsportal, aus dem die Verfügbarkeit der Entsorgungsanlagen jederzeit zuverlässig ersichtlich ist", fordert er. "Damit wird vermieden, dass Züge diese Anlagen ansteuern, ohne dort ihre Tanks leeren zu können."
Go-Ahead sieht verpasste Modernisierung als Ursache
Auch der frustrierte Streckenanbieter Go-Ahead hat Buch geführt und kommt zu gänzlich anderen Ergebnissen. Demnach summierte sich die Anzahl der Tage, an denen unter anderem die Entsorgungsanlagen der Bahn in Donauwörth und Treuchtlingen ausfielen, zwischen dem 10. Dezember 2023 und dem 17. Januar dieses Jahres auf 71 für beide Standorte zusammen. Es sei ein großes Ärgernis, eine moderne Fahrzeugflotte zu besitzen und Fahrgästen viel zu oft keine funktionierenden Toiletten anbieten zu können, beklagt Go-Ahead. In Gesprächen mit der Deutschen Bahn dränge man darauf, dass sich die Lage bessere. Go-Ahead sieht den Fehler vor allem in einer verpassten Modernisierung: "Wir erleben Entsorgungsanlagen, die oft Jahrzehnte alt und sehr störanfällig sind sowie sehr lange Ausfallzeiten haben wegen fehlender Bevorratung von vermutlich bereits abgängigen Ersatzteilen." Zusätzlich zur maroden Technik gehe das Bedienpersonal in den Entsorgungsstellen teilweise nur mäßig bis gar nicht motiviert und oftmals auch nicht ausreichend qualifiziert an seine Aufgaben heran.
SWEG: Erneuerung der Anlagen "zwingend erforderlich"
Ähnlich klingt es mit Blick auf das vergangene Jahr bei der SWEG Bahn Stuttgart GmbH (SBS). Vor allem im vierten Quartal des vergangenen Jahres habe es Probleme gegeben. Bordtoiletten hätten nicht ausreichend angeboten werden können, weil Ver- und Entsorgungsanlagen der DB InfraGo defekt gewesen seien und zusätzliche Infrastrukturschäden das Anfahren und somit die Nutzung der Anlagen unmöglich gemacht hätten. "Die WCs konnten nicht entleert werden und die Befüllung mit Frischwasser war nur eingeschränkt möglich", sagt SBS-Sprecherin Hanne Lützelberger.
Die Situation habe sich in den vergangenen Monaten zwar verbessert. Eine Erneuerung der äußerst störungsanfälligen Anlagen ist laut Sprecherin jedoch zwingend erforderlich.