Die Deutsche Bahn hat nach der ungewöhnlich scharfen Kritik des süddeutschen Bahnbetreibers Go-Ahead an der Bahn-Netzsparte Mängel eingeräumt. Go-Ahead fährt in Baden-Württemberg und Bayern regionalen Zugverkehr auf den Gleisen der Deutschen Bahn und hatte am Donnerstag der DB Netz vorgeworfen, sie sei überfordert.
Die DB bedauere sehr, dass sie Kunden und Reisenden derzeit "nicht die Qualität und Zuverlässigkeit" biete, die zu Recht von ihr erwartet werde, teilte der Bahn-Konzern am Freitag mit. "Das Schienennetz ist zu alt, zu voll und zu kaputt." Die DB Netz ist eine Tochter der Deutschen Bahn, sie betreibt die Infrastruktur des Konzerns.
Deutsche Bahn bittet um Verständnis
Go-Ahead, eine Tochter der Österreichischen Bundesbahnen ÖBB, hatte kritisiert, Bauarbeiten an der "heruntergekommenen Infrastruktur" würden von der DB Netz schlecht geplant, schlecht koordiniert und zu spät bekanntgegeben. Die Bahn räumte ein, dass sie auch kurzfristig Baustellen einrichten müsse.
Die Reisenden sollten möglichst gut informiert werden und verlässlich ans Ziel kommen, sagte eine Bahn-Sprecherin. "Gleichsam bitten wir um Verständnis, wenn dies angesichts der Vielzahl der Baumaßnahmen und bei Verzögerungen nicht immer gelingen kann."
Go-Ahead-Geschäftsführer Fabian Amini hatte erklärt, sein Unternehmen müsse sich für Verspätungen und Zugausfälle entschuldigen, für die die DB Netz verantwortlich sei. Er erwarte von der Bahn-Tochter, dass sie Zusagen einhalte und für entstandene Schäden geradestehe. Außerdem verlangte er "eine öffentliche Entschuldigung" bei Fahrgästen und Mitarbeitenden.
Der Bahnbetreiber kritisierte "die täglichen Störungen bei Signalanlagen, Weichen, Bahnübergängen, Stellwerken und den Oberleitungsanlagen", die Bauplanung am Stuttgarter Hauptbahnhof, verstopfte Zulaufstrecken und ungeplante Wartezeiten auf eingleisigen Streckenabschnitten. Für die Strecke Augsburg - Donauwörth habe Go-Ahead erst am Dienstag erfahren, welcher Fahrplan ab kommendem Dienstag bis zum Jahresende gefahren werden könne. "Die Fahrgäste sind sauer - und das völlig zu Recht", so Amini.
BW-Verkehrsminister Hermann fordert Sonderfonds für die Bahn
Das marode Gleisnetz in Deutschland hat auch der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im Blick: Dem SWR sagte er am Donnerstag, der Bund müsse trotz der aktuellen Haushaltskrise massiv in die Schieneninfrastruktur investieren. Notwendig seien langfristige Investitionen, was in einem jährlichen Haushalt mit Schuldenbremse nicht möglich sei. Daher fordert Hermann vom Bund einen Sonderfonds für die Bahn nach Schweizer Vorbild.
Hermann: Veraltete Bahntechnik bricht zusammen
Hermann bezeichnete es dem SWR gegenüber als schrecklich, dass mittlerweile jeder zweite Zug unpünktlich ist, weil Fahrzeuge ausfallen, Weichen defekt sind oder Signaltechnik nicht funktioniert. Die Pünktlichkeitsquote sei von schlechten 75 Prozent in diesem Jahr auf 50 Prozent gesunken, weil die veraltete Bahntechnik allmählich zusammenbreche, sagte Hermann dem SWR. Dies habe erhebliche Auswirkungen auf den Fern,- Regional- und Nahverkehr.
So finanziert die Schweiz ihre Bahninfrastruktur
In der Schweiz wird seit 2016 die gesamte Bahninfrastruktur (Betrieb, Substanzerhalt und weiterer Ausbau) über den Bahninfrastrukturfonds (BIF) finanziert. Dieser wurde 2014 per Volksabstimmung angenommen. Es handelt sich dabei um einen Sonderfonds, der auf Verfassungsstufe verankert und so vom Bundesbudget (Haushalt) des Parlaments abgekoppelt ist. Der Vorteil daran ist laut einem Sprecher des Schweizer Bundesamts für Verkehr (BAV), dass die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) finanzielle Planungssicherheit haben.
Finanziert wird der Topf zum Teil aus der zweckgebundenen Mineralölsteuer sowie aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, welche auf alle Fahrten von Lastwagen und anderen schweren Güterfahrzeugen ab 3,5 Tonnen erhoben wird. Hinzu kommen drei Promille der Mehrwertsteuer und zwei Prozent der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen, einer Art Einkommensteuer. Der Löwenanteil kommt jedoch aus dem allgemeinen Bundeshaushalt (2,3 Milliarden Franken) und den Beiträgen der Kantone (500 Millionen Franken). Diese werden der Entwicklung des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) und der Teuerung angepasst. Ein ähnlicher Fonds für die Straßeninfrastruktur, der Nationalstrassenfonds, existiert seit 2018.
Den Fernverkehr betreibt die SBB eigenwirtschaftlich. Im regionalen Personenverkehr machen die Erträge aus Ticketverkäufen rund 50 Prozent des Budgets aus, auch hier wird der Rest wird von Bund und Kantonen bezahlt. Insgesamt beliefen sich die Leistungen der öffentlichen Hand für die Schweizerischen Bundesbahnen im Jahr 2022 auf rund 3,3 Milliarden Franken.