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Resozialisierung oder Ausbeutung?

1,53 Euro pro Stunde: BW muss bei Stundenlohn von Häftlingen nachbessern

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In BW arbeiten Häftlinge für Stundenlöhne unter zwei Euro. Ohne Resozialisierungskonzept ist das laut Bundesverfassungsgericht zu wenig. Die Landesregierung muss nachbessern.

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Stundenlöhnen für Gefangene hat auch Auswirkungen auf Baden-Württemberg. Wie das Landesjustizministerium auf Anfrage mitteilte, muss das Land seine Regelungen und Gesetze prüfen. Die Richter in Karlsruhe hatten vor kurzem die Entlohnung von Häftlingen in Bayern und Nordrhein-Westfalen kritisiert. Noch ist nach Angaben des Justizministeriums zwar nicht klar, ob die Vergütung auch in baden-württembergischen Gefängnissen angepasst werden müsse und um welchen Betrag es dabei geht. Sicher sei aber, dass das Land in den kommenden beiden Jahren ein neues und vom Gericht gefordertes Konzept für die Resozialisierung seiner Gefangenen erstellen werde. Das könne sich auf die Höhe der Löhne auswirken.

Stundenlöhne für Häftlinge in BW fangen bei 1,53 Euro an

In Baden-Württemberg liegen die Stundenlöhne von Gefangenen laut Justizministerium zwischen 1,53 und etwa 2,55 Euro - je nach Art der Arbeit. In der Sicherungsverwahrung wird etwas mehr gezahlt. Die tägliche Arbeitszeit liegt in den Vollzugsanstalten zwischen 5 und 7,5 Stunden. Die Häftlinge arbeiten beispielsweise in der Schreinerei der Haftanstalt, in der Schlosserei, der Polsterei oder auch als Buchbinder und Mediengestalter. Sie fertigen Gegenstände, die vom Gefängnis verkauft werden und produzieren für externe Unternehmen.

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Ein Häftling arbeitet in der Schlosserei einer Justizvollzugsanstalt.

Aufhänger der Diskussion um die Löhne Strafgefangener ist ein Urteil des Bundesverfassungsgericht im Juni. Zwei Häftlinge aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt und recht bekommen. Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind nach Ansicht der Richter verfassungswidrig, wenn dahinter kein wirksames Konzept zur Resozialisierung der Betroffenen steht. Gefangene müssten Sinn und Nutzen von Arbeit erkennen.

Arbeit hinter Gittern ist Teil der Resozialisierung

Strafgefangene sind in Deutschland gesetzlich zur Arbeit verpflichtet. Ein Mindestlohn gilt in Justizvollzugsanstalten nicht. Das liegt daran, dass es nicht um Arbeit im eigentlichen Sinne, sondern um Resozialisierung der Straftäter gehen soll. Neben Geld und regulären Urlaubstagen bekommen Häftlinge auch zusätzliche Freistellungstage. Ob die ihnen zugewiesenen Aufgaben sie auch tatsächlich auf ein Leben in Freiheit vorbereiten, ist bei den Häftlingen allerdings umstritten. Interessenvertretungen und zuletzt eben auch die Verfassungsrichter haben ebenfalls Zweifel.

"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nehmen wir zum Anlass, im Rahmen eines länderübergreifenden Austausches ein Gesamtkonzept zu erarbeiten."

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Länder wollen gemeinsam über Häftlingslohn beraten

Da sich auch andere Länder mit der Frage des gerechten Stundenlohns auseinandersetzen, sei eine länderübergreifende Absprache sinnvoll, so ein Sprecher des Landesjustizministeriums. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nehmen wir zum Anlass, im Rahmen eines länderübergreifenden Austausches ein Gesamtkonzept zu erarbeiten", heißt es auch von Justizministerin Marion Gentges (CDU). Einen Mindestlohn wird es aber auch nach der Überprüfung nicht geben. Denn durch die Gefangenenbeschäftigung entstehen auch Ausgaben. Die liegen nach Angaben des Sprechers bei rund 57 Millionen Euro. Darin sind Personalkosten des Werkdienstes, Energiekosten sowie Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung, Arbeitskleidung, Maschinen und Transport der Gefangenen enthalten. Die reinen Lohnkosten betrugen im Jahr 2022 hingegen lediglich 9,8 Millionen Euro.

Im Mai 2023 saßen in Baden-Württemberg durchschnittlich 6.259 Gefangene im geschlossenen Vollzug, die Gefängnisse haben Kapazität für 6.352 Häftlinge.

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