Äcker, Wiesen, ein See, und dazwischen freilaufende Hühner und Schweine: Auf dem Hof von Klaus Keppler im Landkreis Biberach könnte man einen Werbefilm für das Leben als Landwirt drehen. Die Idylle vor der eigenen Haustür ist für Keppler ein Ausgleich gegenüber dem Frust, den er empfindet, wenn er an die deutsche Landwirtschaftspolitik denkt.
"Wir müssen schauen, dass wir mal von dieser Bürokratie runterkommen", sagt er. Es gebe zu viele Auflagen und Einschränkungen: "Ich habe das Gefühl, Landwirtschaft ist bei uns nicht mehr erwünscht."
Ampel-Pläne trieben Bauern auf die Straßen
Viele Landwirte ächzen unter den Vorgaben der Politik. Im Dezember 2023 entfachte dann ein Vorhaben der Ampel-Regierung die Wut der Bauern: Die KfZ-Steuer sollte künftig auch für Landmaschinen wie Traktoren erhoben werden, gleichzeitig sollten steuerliche Erleichterungen für Agrardiesel wegfallen.
Dagegen protestierten Landwirte in ganz Deutschland, mit Erfolg: Die angekündigte KfZ-Steuer für Landmaschinen nahm die Regierung schnell zurück. Die Steuererleichterungen für Agrardiesel werden zwar gestrichen, aber nicht sofort, sondern stufenweise, innerhalb von drei Jahren. "Insofern würde ich sagen: Von zwei wichtigen Forderungen der Landwirte sind anderthalb erfüllt", sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dem SWR.
Die Ampel als Feindbild der Bauern
Özdemir hatte sich angesichts der Proteste schnell auf die Seite der Landwirte gestellt, wurde von vielen aber trotzdem angefeindet: Die Ampel-Regierung und insbesondere die Grünen waren für viele der protestierenden Bauern ein Feindbild.
Wohl auch deshalb kamen am Aschermittwoch viele Protestierende zu einer Veranstaltung der Grünen in der Biberacher Stadthalle. Der Protest eskalierte: Teilnehmer blockierten die Zufahrt zur Halle, beschimpften Politiker und Journalisten, warfen Gegenstände. Bei einem Begleitfahrzeug von Özdemir ging eine Scheibe zu Bruch, mehrere Polizisten wurden verletzt, Beamte setzten Pfefferspray gegen die Blockierer ein. Schließlich sagten die Grünen ihre Veranstaltung ab.
Kepplers Kundgebung verlief friedlich
"Der Aschermittwoch war eine Zäsur", sagt Klaus Keppler heute. Er war an diesem Tag selbst in Biberach: Allerdings nicht unter den Blockierern an der Stadthalle, sondern wenige hundert Meter entfernt auf dem Gigelberg. Dort hatte er eine Kundgebung angemeldet, die friedlich verlief.
Neben Keppler und anderen sprach dort auch Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir, der später sagte: "Das war fair und anständig." Zwar sei es durchaus auch laut geworden vonseiten der Demonstrierenden, doch das müsse man als Politiker aushalten.
Eskalierter Protest bestimmte die Schlagzeilen
Der eskalierte Protest an der Stadthalle dominierte in den darauffolgenden Tagen bundesweit die Schlagzeilen. Recherchen ergaben: Vor der Grünen-Veranstaltung gab es über Telegram und andere Messenger-Dienste Aufrufe dazu, die Veranstaltung zu stören. Diese Aufrufe wurden teilweise über Kanäle aus der Querdenker- und auch der rechtsextremen Szene weiterverbreitet.
Klaus Keppler sagt, er wolle seine "Berufskollegen" aus der Landwirtschaft nicht komplett in Schutz nehmen: "Da waren mit Sicherheit welche dabei, die sich falsch verhalten haben", so Keppler. Doch wenn eine Protestbewegung groß werde, gebe es Trittbrettfahrer. Das habe der Bewegung geschadet.
Bereits zwei Wochen nach den Protesten hatte SWR Aktuell mit mehreren Landwirten gesprochen, die den Einsatz der Polizei am Aschermittwoch in Biberach kritisierten. Hier kann man das Video noch einmal sehen:
Bauern beklagen "Wettbewerbsverzerrung"
Keppler bedauert das. Aus seiner Sicht hätten die Bauern weiterhin gute Gründe, auf die Straße zu gehen: "Die Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU, beziehungsweise weltweit, bleibt bestehen." Keppler beklagt: In Deutschland würden mit Blick auf Tierwohl und Umwelt strengere Standards gelten als in anderen Ländern, innerhalb und außerhalb der EU. "Es kann nicht sein, dass wir mit gigantischen Auflagen hier produzieren, und bei dem, was importiert wird, spielt die Produktionsweise keine Rolle", sagt er: "Das ist einfach unfair."
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir findet, das könne man so pauschal nicht sagen. "Es gibt andere Länder, die haben noch deutlich strengere Standards", sagt er und verweist auf Dänemark. Gleichzeitig räumt er ein, dass in anderen Ländern deutlich niedrigere Standards gelten, etwa in Spanien: "Das führt dort dazu, dass es ruinös ist gegenüber der Umwelt, ruinös ist gegenüber den Menschen, ruinös gegenüber den Tieren", so Özdemir: "Ist das wirklich das Vorbild für die deutsche Landwirtschaft? Ich glaube nicht." Er appelliert an die EU-Kommission: "Damit es ein europaweites Herkunftskennzeichnung gibt, damit wir 'Made in Germany' sichtbar machen und man dann hoffentlich auch zu deutschen Produkten greift."
Özdemir zeigt Verständnis, aber keine Verantwortung
Für den Ärger der Bauern zeigt Özdemir im SWR-Interview Verständnis, die Verantwortung dafür sieht er aber teils auf EU-Ebene, teils bei seinen Vorgängerinnen und Vorgängern im Amt des Bundeslandwirtschaftsministers. "Meine Amtszeit war geprägt davon, das abzutragen", so Özdemir.
Klaus Kepplers Beurteilung des Landwirtschaftsministers fällt weniger schmeichelhaft aus. Zwar habe er "menschlich höchsten Respekt" vor Özdemir, weil der sich am Aschermittwoch auf dem Gigelberg den Landwirten gestellt habe. Aber: "Er hat halt von Landwirtschaft keine Ahnung", so Keppler: "Er hat etwas anderes gelernt."
Keppler hat keine Hoffnung auf eine Verbesserung
Der Landwirt sagt, er halte es grundsätzlich für ein Problem, dass Politiker oft wegen Parteiproporz oder Quoten gewisse Ämter bekämen: "Die sind ja beliebig austauschbar. Die machen heute das Ressort und morgen ein anderes. Das müssen wahre Genies sein!"
Dementsprechend glaubt Keppler auch nicht, dass sich die Situation für die Bauern mit einem neuen Landwirtschaftsminister verbessern wird - unabhängig davon, welche Partei den in einer künftigen Bundesregierung stellen würde. Was er sich hingegen gut vorstellen kann: Dass die Bauern bald wieder auf die Straßen gehen. "Der Druck im Kessel steigt schon wieder", sagt er: "Und wenn dann noch ein entsprechendes Agieren der Politik dazukommt, dann platzt der Kessel wieder."