Der Balinger Regisseur Jan Heck ist in zwei Kategorien für den Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert.

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"Schleimkeim - Otze und die DDR von unten": Balinger für Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert

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Annika Jahn

Was haben eine schrammelige Band aus der DDR und ein junger Filmemacher aus Balingen gemeinsam? Die Liebe zu Punk.

Auf dem SWR Doku Festival in Stuttgart heißt es wieder: Film ab! Für die besten Dokumentarfilme des Jahres. 14 der in den Innenstadtkinos gezeigten Filme sind für den Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert. Der wird am Freitagabend im Rahmen des Festivals verliehen. Ein Balinger Filmemacher ist mit seinem Film in gleich zwei Kategorien nominiert.

Gewinner des Deutschen Dokumentarfilmpreis in der Kategorie Musik 2024 Schleimkeim - Otze und die DDR von unten

"Otze" Ehrlich, Frontman der DDR-Punkband Schleimkeim provozierte mit seinen Texten die DDR-Führung . Trotz staatlicher Repressionen und Gefängnis hielten er und die DDR-Punks an ihrer rebellischen Haltung fest und blieben authentisch. Doch mit dem Fall der Mauer verlor Otze seine Feindbilder...

Wenn Jan Heck nach Hause nach Geislingen bei Balingen (Zollernalbkreis) kommt, ist es für den 33-Jährigen immer ein bisschen so, als sei die Zeit stehengeblieben. Sein ehemaliges Kinderzimmer sieht fast noch genauso aus wie früher. Punkband-Poster hängen an der Wand. Alte CDs stecken im CD-Ständer. An einer Pinnwand hängen alte Eintrittskarten zu Punkkonzerten in der Umgebung. "In Balingen gab es schon immer wenig Angebot", sagt er. Da sei es früh ums Selbermachen gegangen.

Film oder Musik - eins von beiden hab ich eigentlich schon immer gemacht.

Mit 14 entdeckt Jan Heck Punkmusik - und liebt sie bis heute. Er gründet eine Band und tritt mit ihr im Jugendhaus in Balingen auf. Aber Punkmusik ist nicht seine einzige Passion. Als Schüler guckt er einen Film nach dem anderen - und greift irgendwann selbst zur Kamera. "Die Passion mit dem Filmemachen ist entstanden, weil Filme mich aus diesem Dorf rausgeholt haben. Die haben mir Sachen über die Welt erzählt", sagt Heck. "Ich habe als Dorfjunge immer gedacht, man muss Millionär sein, um Filme zu machen." Irgendwann habe er realisiert, dass er Film auch studieren kann. "Und das habe ich dann auch gemacht."

Für Filmpreis nominiert: "Schleimkeim"

Während des Studiums setzt Heck dann seinen Film "Schleimkeim - Otze und die DDR von unten" um. Als der Film im Frühjahr 2024 in die Kinos kommt, wird für Jan Heck ein Traum wahr. Dass er nun in gleich zwei Kategorien (Hauptpreis und Musikpreis) für den Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert ist, kann der Balinger kaum fassen.

Ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass ich da was gewinne. Ich bin da nominiert, zweimal und das ist für mich eine riesengroße Ehre!

Schleimkeim - so heißt eine Punkband aus der DDR. Laut, "schrammelig", ganz anders als andere Punkmusik - solche Gedanken gehen Jan Heck durch den Kopf, als er als Jugendlicher zum ersten Mal eine Schleimkeim-Platte hört. Er sei fasziniert gewesen und habe mehr über die Musiker rausfinden wollen, sagt er. "Ich habe gedacht, warum hat da eigentlich keiner 'nen Film drüber gemacht? Das gibt's doch gar nicht. Wenn sowas im Kino kommt, würde ich sofort reingehen. Und dann dachte ich: Dann mache ich das halt selbst."

Der Film - ein DIY-Projekt von Anfang bis Ende

Mit aus der Uni ausgeliehenem Equipment zieht er los, um die Geschichte von Schleimkeim zu erzählen. Für seinen Film macht der Regisseur ehemalige Bandkollegen, Freunde und Fans ausfindig. Viereinhalb Jahre arbeitet er an dem Projekt. Freundinnen und Freunde helfen ihm beim Drehen. Den Rest macht er komplett alleine. "Das war ein Mammutprojekt. Ich habe das an meinem Tisch im WG-Zimmer geschnitten", erzählt Heck. Bezahlung gibt es keine. Mit einer kleinen Filmförderung finanziert er lediglich die Spritkosten für die Fahrten zu den Drehs.

Das Ergebnis: ein beeindruckender, berührender, aber auch lustiger Film über eine Punkband, die in der DDR mit viel Gegenwind zu kämpfen hatte. Punk war in der DDR verboten und wurde von der Stasi verfolgt. Die Band Schleimkeim gründet sich trotzdem mitten auf dem Dorf, probt im Schweinestall und wird berühmt.

Besonders schillernd: der Frontmann und Sänger der Band, Dieter "Otze" Ehrlich - die Hauptperson des Films. Mit seinen Songtexten provoziert er die DDR-Führung. Trotz staatlicher Repressionen und Gefängnis halten er und seine Bandkollegen an ihrer rebellischen Haltung fest.

Jan Heck teilt Liebe zu Punk mit Protagonisten des Films

Das Aufwachsen auf dem Dorf, das Selbermachen und die Liebe zur Punkmusik habe er mit der Hauptperson "Otze" auf jeden Fall gemeinsam, sagt Filmemacher Jan Heck. Die politischen Systeme, in denen er und "Otze" sich verwirklicht haben, seien aber natürlich nicht zu vergleichen, so Heck.

Nun heißt es für den sympathischen Balinger und alle Schleimkeim-Fans abwarten und Daumen drücken. Am Freitagabend bei der Verleihung des Deutschen Dokumentarfilmpreises erfahren sie, ob "Schleimkeim - Otze und die DDR von unten" in einer von zwei Kategorien gewonnen hat. Jan Heck freut sich erst mal darauf, wenn sein Film beim SWR Doku Festival gezeigt wird.

Am Donnerstagabend läuft er um 21.45 Uhr im Stuttgarter Gloria-Kino. Der Filmemacher ist selbst vor Ort und beantwortet nach der Vorstellung Fragen zu seinem Film.

Deutscher Dokumentarfilmpreis 2024: Die Nominierten

Eine unabhängige Jury hat aus 120 Einreichungen zwölf Produktionen für den Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert. Zusätzlich wurden drei Dokumentarfilme aus dem Bereich Musik vorgeschlagen. Ein Film hat es in beide Hauptkategorien geschafft. Der Förderpreis würdigt ein Erstlingswerk oder einen Hochschulabschlussfilm. Zum vierten Mal wird der Ehrenpreis für das Lebenswerk verliehen sowie der Publikumspreis. Die Preise werden am SWR Dokufestival 2024 vergeben, das vom 18. bis 22. Juni 2024 in Stuttgart mit Publikum und Filmschaffenden stattfindet.

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Auch dieses Jahr präsentiert das SWR Dokufestival eine vielfältige Auswahl an Dokumentarfilmen, die für jedes Interesse geeignet sind. Unter dem Motto "Fühl die Welt mit anderen Augen" lädt das Festival sein Publikum dazu ein, die Welt aus neuen Blickwinkeln zu erleben.

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