Arbeitsrichter in Baden-Württemberg können nun ein dreimonatiges Betriebspraktikum in einem Unternehmen absolvieren, um bei der Anwendung des komplexen deutschen Arbeitsrechts die innerbetrieblichen Probleme besser verstehen zu können. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten das Justizministerium, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie der Verband Unternehmer in Baden-Württemberg in Stuttgart.
Betriebliche Erfahrungen sammeln
Das Praktikum soll es den Richterinnen und Richtern nach Angaben des Justizministeriums ermöglichen, betriebliche Erfahrungen zu sammeln, wobei insbesondere Einblicke in die Betriebs- und Unternehmensleitung, Personalabteilung und den Betriebsrat gewährt werden sollen. Daher werde es in mittleren bis größeren Unternehmen durchgeführt, in denen ein Betriebsrat vorhanden sei. "Wir wollen weiterhin eine Justiz gewährleisten, die ein Teil der Gesellschaft ist", sagte Ministerialdirektor Elmar Steinbacher vom Justizministerium.
Insgesamt sind in der baden-württembergischen Arbeitsgerichtsbarkeit 117 Richterinnen und Richter an neun Arbeitsgerichten und einem Landesarbeitsgericht tätig. Die bisherige Vereinbarung zu dem Thema wurde jetzt angepasst. Die Richter werden während ihres Praktikums weiterhin vom Land bezahlt, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Anstieg der Verfahren bei den Arbeitsgerichten
Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg, Oliver Barta, sagte, es sei außerordentlich wichtig, dass Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter Einblicke in die betriebliche Praxis erhielten. Dadurch könnten sie verschiedene Sachverhalte besser einordnen. DGB-Landeschef Kai Burmeister meinte, als Gewerkschaften helfe man gerne mit, einen direkten Einblick in den Alltag von betrieblicher Mitbestimmung, Tarifverträgen und Sozialpartnerschaft zu geben. "Wir hoffen, dass viele Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter die Chance nutzen und im Maschinenraum betriebliche Luft schnuppern."
Die Eingänge bei den Arbeitsgerichten sind im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 15 Prozent auf rund 18.000 gestiegen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrage 2,8 Monate. Dabei endeten nahezu 75 Prozent aller Verfahren vor den Arbeitsgerichten mit einem Vergleich, teilte der Sprecher des Justizministeriums mit.