In der Umfrage, die vom Technologieunternehmen Slack in Auftrag gegeben wurde, wurde auch nach dem Grund für die Erreichbarkeit gefragt. 80 Prozent der Befragten sagten, dass sie das aus eigenem Antrieb tun. 76 Prozent haben angegeben, gerade wichtige Projekte zu haben. Das sollte aber die Ausnahme bleiben, sagt Nora Steinsberger. Sie ist Anwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Labisch in Mainz.
SWR1: Überrascht Sie diese hohe Zahl an Arbeitnehmern, die auch im Urlaub nicht abschalten?
Nora Steinsberger: Tatsächlich überrascht mich die Zahl gar nicht so sehr. Ich glaube im Zeitalter, in dem jeder einen Laptop zur Verfügung hat, ein Handy und womöglich auch noch die Smartwatch, ist das fast ganz selbstverständlich geworden, dass man jederzeit und überall erreichbar ist. Egal ob es im Feierabend ist oder sogar im Urlaub.
SWR1: Wie sieht das rechtlich aus? Kann der Chef auch verlangen, seine Angestellten zum Beispiel am Strand in Griechenland zu erreichen?
Steinsberger: Grundsätzlich kann er das nicht verlangen. Es gibt keine Verpflichtung für Arbeitnehmer, dass sie im Urlaub erreichbar sein müssen. Natürlich kommt es wie bei ganz vielen rechtlichen Fragestellungen auch immer auf den Einzelfall an. Wenn es ein dringender Notfall ist und der Mitarbeiter ist der einzige, der dem Unternehmen helfen kann, dann wird man darüber hinwegsehen können. Und man wird sagen können ja, in so einem solchen Notfall ist es notwendig, dass der Arbeitnehmer auch mal erreichbar ist im Urlaub.
SWR1: In manchen Firmen wird es nicht direkt verlangt. Aber es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass man erreichbar ist. Wie sollte man mit so etwas umgehen?
Steinsberger: Es gibt keine Regelung in Unternehmen, die mir bekannt wäre, dass man das wirklich umsetzen müsste und erreichbar sein müsste. Das Gesetz sagt sogar vor, dass der Urlaub der Erholung dienen soll und man keine Tätigkeiten ausführen sollte, die dem Urlaubszweck – also der Erholung – widersprechen würden. Insofern würde ich in einem Fall, wenn der Arbeitgeber mich öfter im Urlaub kontaktiert, als mir das lieb ist, in die offene Kommunikation gehen. Ich würde empfehlen, dass man sich am besten mit Kollegen und Vorgesetzten austauscht, vielleicht auch mit dem Betriebsrat. Aber insgesamt sollte man das sehr deeskalierend angehen, weil man schließlich im Arbeitsalltag ist und das Vertrauensverhältnis und die Zusammenarbeit auch in Zukunft für gut beibehalten werden soll.
SWR1: Wenn tatsächlich jemand gerade ein wichtiges Projekt hat und mehrere Telefonate im Urlaub geführt hat, sollte er dann dafür in irgendeiner Weise eine Vergütung fordern?
Steinsbeger: Auch da würde ich empfehlen, immer einfach mit dem Vorgesetzten oder dem Chef in die direkte Kommunikation zu gehen. Wenn viele Projekte und Telefonate anstehen, würde ich vorschlagen, mit dem Chef zu klären, ob es ein Urlaubstag oder ein Arbeitstag ist. Und kriegt man vielleicht an einem anderen Tag dafür Urlaub als Ausgleich? Oder wie findet man eine Lösung dafür?
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Steffi Stronczyk.