Handysucht bekämpfen: Ständige Erreichbarkeit ist schädlich

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Autor/in
Rebecca Aimée Fehlen
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Warum sind wir immer am Handy?

Das Handy ist unser treuer Begleiter geworden. Es sorgt für Unterhaltung, Ablenkung, lässt uns einfach Kontakt halten oder Informationen beschaffen. Doch neben vielen Vorteilen, schnellt die Bildschirmzeit bei einigen in die Höhe.

Handysucht: Zwei Menschen sitzten nebeneinander auf einer Bank und schauen auf ihre Handys.

Was früher eher in den Altersgruppen unter 30 Jahren bekannt war, trifft mittlerweile auch für Menschen in allen Altersgruppen darüber zu. Einfach mal das Smartphone weglegen fällt vielen schwer. Im klassischen Sinne gibt es noch keine anerkannte "Handysucht", jedoch gibt es einige Parallelen zu anderen Süchten.

Viele Apps lassen den Dopaminspiegel ansteigen. Dopamin gibt immer ein kleines Glücksgefühl oder löst kurzfristiges Wohlbefinden aus. Algorithmen, also das, wie die App programmiert wurde, sind darauf aus, den Suchtfaktor zu erhöhen, um die Nutzungsdauer zu verlängern.

Oft wird in Momenten der Langeweile das Handy gezückt: Beim Warten auf den Bus, an der Kasse im Supermarkt oder auf Toilette.

Bin ich handysüchtig?

Handysucht: Wenn der Blick aufs Handy zur Gewohnheit wird, wie bei der Frau, die auf den schwarzen Bildschirm schaut.

Für eine Sucht lassen sich verschiedene Kriterien aufteilen. Hierbei können für einige auch Parallelen zum Handy gezogen werden.

  • Immer wieder ans Handy denken oder sich fragen, ob es neue Benachrichtigungen gibt. Diese gedankliche Vereinnahmung führt zu richtiger Anspannung.
  • Entzugserscheinungen: Das Vergessen des Handys oder ein leerer Akku lösen ein ungutes Gefühl oder Unruhe aus.
  • Es gibt keine Kontrolle über die Nutzung. Eigentlich wollten Sie nur mal schnell noch ein Video anschauen und zack ist eine Stunde vergangen.
  • Vernachlässigung von Aufgaben: Wichtige Aufgaben, Arbeit oder soziale Kontakte werden vernachlässigt, weil das Handy mehr Aufmerksamkeit erhält.
  • Sie verspüren den Drang, ständig auf Ihr Handy zu schauen, selbst ohne konkrete Benachrichtigungen. Es kommt dadurch zu einem Zwang zur Nutzung.

"Grenzen muss ich erstmal klar festlegen, für mich selbst und auch anderen gegenüber."

Tipps gegen Handysucht im Alltag

Handysucht: Frau liegt im dunklen Schlafzimmer und schaut auf ihr Handydisplay

Wer kennt es nicht, dass mitten im Gespräch mit einem Freund das Handydisplay aufleuchtet oder die Uhr am Handgelenk vibriert. Ständig erhalten wir Benachrichtigungen, die uns ablenken, unterbrechen oder sogar beim Einschlafen hindern. Diese Tipps können Ihnen helfen, sich das Handy abzugewöhnen.

  • Entwickeln Sie ein Bewusstsein für Ihre Handynutzung. Dabei kann es auch helfen, sich die Bildschirmzeit am Handy in den Einstellungen anzeigen zu lassen.
  • Setzen Sie klare Grenzen. Sie müssen nicht alle Nachrichten sofort beantworten.
  • Bei Treffen mit Freunden bleibt das Handy in der Tasche.
  • Feste Zeiten für die Nutzung des Handys oder bestimmter Apps.
  • Nachts das Handy außerhalb des Schlafzimmers liegen lassen.
  • Push-Benachrichtigungen von Apps, die nicht wichtig sind, abstellen.
  • Den Schwarz-Weiß-Modus aktivieren, damit nicht mehr alles bunt leuchtet und langweiliger wird.

Wem das nicht reicht, der kann sich auch Gadgets wie Apps zum Reduzieren der Bildschirmzeit herunterladen oder einen Handysafe kaufen.

Ständige Erreichbarkeit bei der Arbeit – Muss das sein?

Ständige Erreichbarkeit: Frau sitzt auf einem Sofa mit dem Laptop auf dem Schoß und tippt, neben sich ein Handy

Wir sind eingerichtet für den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, sagt SWR4 Psychologin Felicitas Heyne. Wer ständig erreichbar ist, ist immer mit einem Auge auf dem Handy und mit dem Kopf bei der Arbeit. Wir hindern unser Gehirn daran zur Ruhe zu kommen. Das erhöht laut der Psychologin auch das Burnout-Risiko.

"Gerade Menschen, die sehr verantwortungsbewusst und perfektionistisch sind denken oft, dass sie immer erreichbar sein müssen. Wer eher flexibel und gelassen ist, hat es da ein bisschen leichter."

Wenn an einem Arbeitstag rund 50 E-Mails oder Nachrichten kommen, wird man im Durchschnitt alle neun Minuten unterbrochen. Nach diesen Unterbrechungen dauert es jedes Mal zirka zehn Minuten, bis die Konzentration wieder voll auf der vorherigen Sache liegt.

Digitale Erreichbarkeit: Frau sitzt vorm Computer und hat den Kopf verzweifelt in die Hände gestützt.

Der Befragung von Erwerbstätigen zu Belastung und Beanspruchung durch Arbeit mit digitalen Technologien nach, wird die Verunsicherung im Umgang mit digitalen Technologien als größter Stressor wahrgenommen. Ebenso Unzuverlässigkeit, Überflutung, Komplexität, Omni- und Dauerpräsenz. Das Gefühl der Dauerpräsenz kann auch zu einer Verwischung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben führen und damit zu weiterem Stress.

"Überraschenderweise ist digitaler Stress bei 25- bis 34-jährigen Arbeitnehmenden ausgeprägter als bei anderen Altersgruppen. In dieser Gruppe und bei den 35- bis 44-Jährigen ist digitaler Stress am stärksten ausgeprägt. Den geringsten digitalen Stress empfinden Arbeitnehmende über 64."

Mit diesen Tipps können Sie nach der Arbeit besser abschalten

  • Am Besten getrennte Geräte: Eines für die Arbeit, eines für das Privatleben
  • Abwesenheitsnotiz einrichten, die automatisch antwortet
  • Push-Benachrichtigungen abschalten

Smartwatch: Tipps zu Einstellungen der Erreichbarkeit

Ständige Erreichbarkeit: Smartwatch am Handgelenk

Smartwatches, also Uhren, die sich mit dem Handy verbinden lassen, können die Abhängigkeit davon weiter verstärken. Sie haben zahlreiche Funktionen wie die Aufzeichnung von Gesundheitsdaten, es lässt sich damit Telefonieren und eben auch die Benachrichtigungen vom Handy empfangen. Da die Uhr am Handgelenk getragen wird und oft sogar während des Empfangens von Nachrichten vibriert, ist die Versuchung, sofort zu reagieren, noch größer.

Diese Tipps können Ihnen helfen, die Vorteile Ihrer Smartwatch zu nutzen, ohne das Gefühl zu haben ständig erreichbar zu sein:

  • Bewusstsein schaffen: Überlegen Sie, in welchen Momenten und in welchem Umfang Sie die Uhr nutzen.
  • Ändern Sie Ihre Nutzungseinstellungen und lassen Sie nur die notwendigsten Benachrichtigungen auf der Uhr erscheinen.
  • Genau wie beim Handy kann es sinnvoll sein, dass Sie die Uhr in bestimmten Momenten komplett ablegen.

Digitaler Stress und Abhängigkeit

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